Răzvan Dumitru

Balance

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Ist Demokratie sichtbar? Wie können wir uns ein Bild von dieser politischen Form machen? Wie lässt sich Demokratie abbilden? Um diesen Fragen nachzugehen, durchstreifte Răzvan Dumitru den Berliner Stadtraum. Mit dem wachen Blick eines Flaneurs, der mit Hilfe kleiner Beobachtungen seine Reflexionen gewinnt, entwarf Dumitru seine Motive. Kleine Beobachtungen zeichnete der Künstler während seiner Durchquerungen von Berlin. Er beobachtete Szenen im öffentlichen Raum, wie beispielsweise eine ältere Frau versuchte, freihändig Fahrrad zu fahren, bemerkte wiederkehrende Körperhaltungen und immer wieder das meist harmonische Zusammenspiel von Menschen, Verkehr und Architektur. Im öffentlichen Raum fand er ein Ineinandergreifen von Bewegungen, ein Gefüge, in dem vieles gleichzeitig passiert und möglich ist.

Anhand seiner Skizzen fertigte Dumitru großformatige Kohlezeichnungen auf Papier. Die zwischen Abstraktion und Figuration changierenden Motive bringen die Dynamik demokratischer Prozesse zum Ausdruck. Eine Zeichnung zeigt sehr räumliche Gefüge, ein Ineinander ganz unterschiedlicher Formen. Runde, organische Elemente fügen sich mit den technisch anmutenden Leitungen zu einem dynamischen Ganzen. Die Plastizität und die schwarz-weiß Kontraste der Zeichnung verstärkt den Eindruck, Teil eines spezifischen Moments zu sein. Alle Elemente sind in Bewegung und fügen sich zu einem Bild. Auf einer anderen Zeichnung sind meist runde Elemente als szenische Einheit aufs Blatt gebracht. Auch hier geht es um das Zusammenspiel verschiedener Elemente und verschiedener Ebenen, eine Grundvoraussetzung demokratischer Zusammenhänge.

Kamera: berlinARTcore, Michelle Nimpsch
Schnitt: Michelle Nimpsch

In der Art und Weise wie hierfür die Balance aller Beteiligten immer wieder neu gefunden werden muss, liegt auch die Verletzlichkeit von Demokratie. Medial reflektiert Dumitru die Fragilität der Demokratie als politisches System, indem er Kohle als Mittel zum Zeichnen wählt. Mit Kohle auf Papier zu zeichnen bedeutet, dass die Linien präzise geführt sein müssen, da es kaum Möglichkeiten zur Korrektur gibt – durch eine falsche Handbewegung kann zudem das Gezeichnete verwischen und unkenntlich werden. Kohle ist aber auch ein lang tradiertes künstlerisches Mittel. Seit der Renaissance fand die Kohlezeichnung für Detail- und Kompositionsstudien große Beachtung. Zu ihrer Herstellung werden die Qualitäten von Holz und Feuer benötigt. Beides findet sich verdichtet in der Materialität der Kohle wieder. Häufig werden Portraits mit Kohle gezeichnet oder Kohle wird zum Vorzeichnen und Entwerfen auf der Leinwand verwendet. Diesem eher skizzenhaften Gebrauch setzt der Künstler ein wohl tariertes Motiv entgegen. Die Möglichkeiten der Schattierung und Akzentsetzung werden von Dumitru insbesondere dazu genutzt, Räumlichkeit aufs Papier zu bringen. Dumitrus Visualisierung von Demokratie ist ein gefundenes, aber auch leicht zu verlierendes Gleichgewicht. In der Gesamtansicht zeigen die vielen kleinen abstrakten Bewegungen eine wohl geformte Ordnung, die jedoch auch immer in Gefahr ist, verloren zu gehen.

Text: Dr. Silke Förschler


Răzvan Dumitru

Der rumänische Künstler Răzvan Dumitru wurde 1989 geboren und lebt und arbeitet in Bukarest, Rumänien. 2013 schloss er sein Studium an der „Ion Mincu“ Universität für Architektur ab. Dumitru arbeitet innerhalb eines breiten Spektrums von Materialien und Techniken und hinterfragt immer wieder die Grenzen zwischen Kunst und Architektur. Seine Arbeiten wurden in verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen in Rumänien gezeigt.

Instagram: https://www.instagram.com/razvandumitr.u/