Online-Showcase Jahrgang #7 „Picturing Democracy“

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Die Stiftung Berliner Leben vergibt mit dem Programm Fresh A.I.R. (Artist-In-Residence) Stipendien an europäische Künstler*innen, die sich mit gesellschaftspolitischen und urbanen Themen auseinandersetzen. Gleichzeitig geben sie Bewohner*innen der Stadt in Form von Workshops und Veranstaltungen einen Einblick in ihre Perspektive und ihr Können. Die 11 Stipendiat*innen des siebten Fresh A.I.R.-Jahrgangs aus insgesamt 7 Nationen sind im April 2022 nach Berlin gekommen und haben ihr Stipendium im September 2022 beendet.

Kunst und Demokratie sind seit der Moderne ein Zeichen des Fortschritts, der Emanzipation; beide sind in hohem Maße Objekte des Engagements. Sie sind nicht nur beide etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt, oder gar etwas, das die Kämpfenden nobilitiert. Sie sind auch beide nur als Tätigkeit, als Engagement vorstellbar.

Demokratie als politische Form lebt von Aushandlungsprozessen. Mit diesen Prozessen beschäftigten sich die elf Stipendiat*innen des Fresh A.I.R. Jahrgangs #7. Unter dem Titel „Picturing Democracy“ zeigen die Künstler*innen aus sieben europäischen Ländern ihre Auseinandersetzungen, die gleichermaßen die Fragilität und die Schutzbedürftigkeit demokratischer Werte wie Freiheit, Gleichheit und die Rechte von Minderheiten thematisieren.

Mit verschiedenen Herangehensweisen und in verschiedenen Medien präsentiert der Jahrgang #7 Zugänge zu demokratischem Handeln und Voraussetzungen des politischen Lebens sowie Modelle für ein zukünftiges demokratisches Zusammenleben. Historische demokratische und undemokratische Ereignisse spielen ebenfalls eine Rolle. In einer Videoarbeit und auf Fotografien wird an nationalsozialistische Verbrechen erinnert. Der queeren Szene und ihren Orten in Schöneberg während der Weimarer Republik können wir uns mit Hilfe von Klängen nähern. Ein weiteres Archiv besteht aus zusammengestellten Gerüchen, die assoziativ mit Demokratie in Verbindung stehen. Wie demokratische Grundsätze für das Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen erprobt werden können, zeigen uns eine vegetabile Skulptur, eine Videoarbeit zum Flug der Motten sowie Fotografien, die den Mottenflug einfangen.

Wenn es um die Frage nach der Bewegungsfreiheit von menschlichen Körpern an unterschiedlichen Orten geht und um ihre Beschränkungen, werden auch immer Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem gezogen. Wie die Arbeiten zeigen, können an Orten wie Kaffeehäusern, im Bundestag und auf der Straße Debatten geführt und Utopien entwickelt werden. Pappschilder stehen als Medium für das Demonstrationsrecht und für die freie Meinungsäußerung schlechthin. Sie geben in der Ausstellung Aussagen von Wähler*innen wieder. In einer Zeichnung, die mit der Vergänglichkeit der leicht zu verwischenden Kohle arbeitet, kommt die fragile Balance des demokratischen Zusammenlebens zum Ausdruck. Ebenfalls Teil der Ausstellung sind Bildinszenierungen, die sich mit Ungleichheit im Kapitalismus auseinandersetzen sowie mit dessen zutiefst undemokratischen Mechanismen.

Alle diese Werke verbinden mit ihrer öffentlichen Präsentation ein dialogisches Anliegen. Sie laden das Publikum zur kritischen Reflexion über den Schutz demokratischer Grundwerte und pluralistischer Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens ein.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Freude bei der Erkundung der künstlerischen Arbeiten unseres siebten Jahrgangs.

Janine Arndt
Künstlerische Leitung


Fresh A.I.R. #7 Online-Showcase

Anna Barnaföldi

In ihrer vierteiligen Videoinstallation skaliert Anna Barnaföldi die Sichtbarkeit demokratischen Handelns. Die Medienkünstlerin fragt, wann und auf welchen Ebenen Demokratie zum Ausdruck kommt und fassbar wird.

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Denise Ackerl

Ein Green Screen, der gleichzeitig eine Tanzfläche ist, ist der Dreh- und Angelpunkt in Denise Ackerls Werk. Ihre Arbeiten machen die Verbindungen zwischen Stadtraum, Grenzen, Körpern und Bewegung deutlich und plädieren für das Recht auf Bewegungsfreiheit als Ausdruck einer diversen demokratischen Gesellschaft.

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Elektra Stampoulou

Wie sind Gerüche und Politik im Alltag verbunden? In ihrem künstlerischen Forschungsprojekt nähert sich Elektra Stampoulou dem Feld der Demokratie über den Geruchssinn und beleuchtet Relationen zwischen Gerüchen und Erfahrungen mit Demokratie.

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Eleni Danesi

Mit den Mitteln der Somatischen Architektur und der Ökosomatik untersucht Danesi, welche Eigenschaften der Beziehungen zwischen den Spezies als interdependent angesehen werden können und wie Menschen diese Beziehungen aktiv praktizieren können, um das Gefühl der Demokratie in sich selbst wachsen zu lassen.

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Ilona Stutz

In ihrer audiovisuellen Arbeit setzt sich Ilona Stutz anhand der stenografischen Aufzeichnungen der 193. Bundestagssitzung 2020 mit den dort getätigten Zwischenrufen auseinander und lenkt so den Fokus auf die Kultur der parlamentarischen Debatte.

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Johnny Pavlatos

In einer ortsspezifischen Arbeit setzt sich Johnny Pavlatos mit dem queeren Schöneberg der Weimarer Republik auseinander. Die lesbischen, schwulen und queeren Utopien der Vergangenheit sollen Utopien für die Zukunft werden.

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Karin Lindstén

In ihrem Gedicht und in ihrer Videoarbeit setzt sich Karin Lindstén mit dem Zusammenleben von Tieren und Menschen in der Großstadt auseinander. Die Künstlerin geht in ihrer Arbeit auf eine poetische Weise den Merkmalen und Schwierigkeiten von menschlicher und tierlicher Cohabitation nach.

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Oscar Lebeck

Erinnern und Gedenken sind in Deutschland wesentliche Fundamente des demokratischen Selbstverständnisses. Der Künstler zeigt in seiner performativen Videoarbeit und in seinen Fotografien die spezifischen Möglichkeiten der Kunst, historische Ereignisse präsent zu machen und Vergangenes in die Gegenwart zu holen.

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Răzvan Dumitru

Ist Demokratie sichtbar? Wie können wir uns ein Bild von dieser politischen Form machen? Wie lässt sich Demokratie abbilden? Dumitrus Visualisierung von Demokratie ist ein gefundenes, aber auch leicht zu verlierendes Gleichgewicht.

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Samuel Henne

In Samuel Hennes Arbeit wird das Objekt der amerikanischen „Thank you“-Plastiktüte zum Mittelpunkt der Bildinszenierungen und zur Metapher für einen drohenden Fall und für gesellschaftliches Scheitern innerhalb kapitalistischer Wertigkeiten.

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Sonia Sagan

Ein Teppich ist Teil der Ergebnisse von Sagans künstlerischen Recherchen. Er steht als Ort des Verweilens und des Austausches stellvertretend für die Rolle, die Kaffeehäuser im Prozess einer gesellschaftlichen Demokratisierung spielten und in Zukunft wieder spielen können.

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