Raum und Zeit für Kunst und Künstler*innen

Der vierte Jahrgang des Stipendiatenprogramms Fresh A.I.R. stellt seine Abschlussarbeiten digital vor

Berlin, 17. Mai 2021

Seit 2018 fördert die Stiftung Berliner Leben künstlerische Projekte, die sich mit aktuellen Themen des städtischen und gesellschaftlichen Lebens auseinandersetzen. Unter dem Programmtitel Fresh A.I.R. (Artist in Residence) ermöglicht sie es bis zu 13 Stipendiat*innen pro Jahrgang, sich für sechs Monate auf die Entwicklung ihrer künstlerischen Projekte zu konzentrieren und neue Impulse aus der Hauptstadt aufzunehmen.

Die Stipendiat*innen des vierten Jahrgangs waren von Oktober 2020 bis März 2021 in den Residenzwohnungen über dem URBAN NATION MUSEUM FOR URBAN CONTEMPORARY ART im Schöneberger Bülowkiez untergebracht. Trotz pandemiebedingter Einschränkungen und eines Auftakts in Quarantäne direkt nach Bezug der Residenzen, begannen sich die Künstlerinnen auf vielfältige Art und Weise auszudrücken. Entstanden sind neun individuelle künstlerische Zugänge, die um die Frage kreisen, wie „wir“ als Menschen uns gegenwärtig ins Verhältnis zur „Welt“ setzen. Alle Projektergebnisse wurden nun in einer digitalen Werkschau zusammengestellt und können online erkundet werden.

Viele der diesjährigen Fresh A.I.R.-Stipendiatinnen befassen sich mit dem Verhältnis zur Natur oder zu dem, was als Natur gilt. Sie fragen danach, wo sich „Natur“ auch in der Stadt finden lässt, wo sie sich zum Beispiel in Form von Pflanzen einfach ansiedelt. Andere machen mit ihrer Kunst auf die Klimakatastrophe aufmerksam und entwerfen Lösungen oder Modelle.

Im Rahmen des vierten Jahrgangs von Fresh A.I.R. haben sich Adriana Tamargo und Guillermo Escribano, zusammen bekannt als das spanische Künstlerduo META-colectivo, beispielsweise eine spannende und weitreichende Frage gestellt: Wie könnte Kunst aussehen, die in aller Konsequenz auf die Probleme der Klimakrise reagiert? Die beiden Künstlerinnen entwickelten eine Methode zur Herstellung ästhetischer Objekte aus Abfallprodukten lokaler Unternehmen, die mit tradierten Vorstellungen vom „Upcycling“ bricht und andere Wege ausprobiert.

„Collective Matters“ bricht mit tradierten Vorstellungen vom „Upcycling“. Foto: Victoria Tomaschko

Für das Projekt „Collective Matters“ hatten alle verwendeten Materialien eine tiefere Bedeutung: Aus organischen Abfällen aus der direkten Umgebung in Berlin-Schöneberg, gab es Kaffeesatz vom Café nebenan, Treber von Brauereien, abgeschnittene Haare von Friseurläden und Herbstlaub von der Straße. Mithilfe von ökologischen Bindemitteln, Sonne, Regen, Bakterien und Schimmelsporen formt das Duo in experimenteller Manier Plastiken, die von geologischen Formationen wie Felsbrocken oder Gebirgen inspiriert sind. Mit seiner Kunst nimmt das Duo eine philosophische Sichtweise ein, verweist auf die Klimakatastrophe und plädiert für ein verantwortungsvolles Miteinander aller Lebewesen.

Das Verhältnis der Menschen untereinander bleibt – auch unabhängig von Corona – ein Dauerthema. In den Blick nehmen die Künstlerinnen dabei fast immer den städtischen Kontext, den sogenannten urbanen Raum, seine Aufteilungen, seine verschiedenen Erscheinungsbilder, aber auch die Wege, die die Stadt vorgibt oder ermöglicht. Mit ihren Projekten mischen sich die Künstlerinnen in Debatten um Teilhabe und Inklusion ein. Und sie lassen uns darüber nachdenken, wer ausgeschlossen bleibt.

Das Künstlerduo Mots – bestehend aus Jagoda Cierniak aus Polen und Diogo Ruas aus Portugal – rückte für sein Projekt „Objectum“ beispielsweise persönliche Erinnerungen verschiedener Menschen in den Fokus. In einer großflächigen Fassadengestaltung ist ein Kunstwerk entstanden, in das sich die Anwohnerinnen einbringen konnten: Das Duo bat die Mitwirkenden, bei gemeinsamen Treffen von ihren Lieblingsgegenständen oder den für sie wertvollsten Dingen zu erzählen. Aus den Objekten selbst schuf das Künstlerduo dann das Motiv, das an der Hauswand der Obstallee 22 in Berlin Spandau umgesetzt wurde.

Ein Blickfang in der Obstallee 22: die vom Künstlerduo Mots gestaltete Fassade. Foto: Victoria Tomaschko

Die Farbnuancen sollen eine wohnliche Atmosphäre schaffen und orientieren sich an den Tönen der städtischen Umgebung. Die Gegenstände changieren in ihrer Ausführung zwischen Realität und Abstraktion, sind selbst jedoch klar zu erkennen. Mit dem Zusammenbringen dieser wichtigen Lieblingsgegenstände in einem Gesamtkunstwerk strebt das Bild soziale Gleichheit und gemeinschaftliche Kommunikation an.

Folgende Stipendiat*innen haben an dem vierten Fresh A.I.R. – Jahrgang teilgenommen:

Alexis Dworsky (Deutschland)
Danny Vines (Großbritannien)
Felicitas Fäßler (Deutschland)
Giulia Berra (Italien)
Marc Samper (Spanien)
META-colectivo (Spanien)
Mots (Portugal/Polen)
Poppy French (Großbritannien)
Valeriana Berchicci (Italien)

„Viele der entstandenen Kunstwerke sind eigentlich dafür gedacht, in einem analogen und realen Raum betrachtet und erlebt zu werden. Sie benötigen für ihre Wirkung die physische Begegnung mit den Betrachtenden, die sich im Ausstellungsraum frei bewegen und ihre Umgebung mit allen Sinnen wahrnehmen können. Aber der Ideenreichtum der im Online-Showcase gezeigten Projekte wird sich sicherlich auch auf die Imaginationskraft der Besucher*innen des virtuellen Ausstellungsraumes übertragen. Wir sind sehr glücklich, alle Projekte im Folgenden präsentieren zu können und wünschen Ihnen, liebe Besucherinnen, viel Freude bei der Erkundung der künstlerischen Arbeiten unseres vierten Fresh A.I.R.-Jahrgangs.“ so Janine Arndt, Leiterin des Stipendiatenprogramms.

Sämtliche Projekte und Kunstwerke der insgesamt elf Stipendiat*innen sind in dem eigens hierfür aufbereiteten Showcase ab sofort online abrufbar.

Janine Arndt, die künstlerische Leiterin des Stipendiatenprogramms, steht für Interviews bereit. Wir bitten um Kontaktaufnahme unter: pr@stiftung-berliner-leben.de

Pressematerialien

2021-05-17 PM Fresh AIR Online Showcase_Final (pdf)