Oana Maria Pop

Passive/Active

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In ihrem Projekt beschäftigt sich die Künstlerin Oana Maria Pop eingehend mit der Schnittstelle zwischen Sprache, Missbrauch von Frauen und der visuellen Darstellung von Trauma. In diesem aufrüttelnden Projekt erkundet Pop die verstörenden Geschichten von Frauenmord, versuchtem Mord und Vergewaltigung, indem sie die geschriebene Sprache der Medienberichte seziert und die Implikationen des gesprochenen Wortes durch intime Interviews mit in Berlin lebenden Frauen aufdeckt.

In ihrer Auseinandersetzung mit der geschriebenen Sprache bringt Pop die grausame Realität der geschlechtsspezifischen Gewalt ans Licht. Sie extrahiert Schlagzeilen aus Presseberichten über diese grausamen Verbrechen und verwandelt sie in eindringliche ‚Karten des Schmerzes‘. Diese „gezeichneten Karten“ geben nicht nur die Geschichten wieder, sondern enthüllen auch die Straßen und Bürgersteige, auf denen diese Gräueltaten geschehen sind. In diesen Landkarten finden wir Pfützen aus rosa Silikon, ein wiederkehrendes Motiv, das die weibliche Form symbolisiert, eine deutliche Erinnerung an den Körper, der Gewalt ausgesetzt ist.

Die begleitenden Fotografien bieten einen visuellen Wandteppich, der die ungefähren Schauplätze dieser Verbrechen offenbart und oft einen oder zwei Streifen rosa Silikon zeigt, ein eindrucksvolles Symbol für die Sensationslust, die oft in den Schlagzeilen der Medien zu finden ist. Diese Silikonstreifen spiegeln die reißerische Art und Weise wider, in der Pressetitel aufgebaut werden, und betonen das geschlechtsspezifische Rosa, das Frauen allzu oft aufgezwungen wird.

Video: YES, AND… productions GmbH & Co. KG

Pops Kunst geht über den Bereich der geschriebenen Sprache hinaus, um die emotionale Wirkung dieser Erzählungen darzustellen. Ihre Bilder dienen als Brücke, die das geschriebene Wort mit der gesprochenen Erzählung verbindet. Zwei dieser Gemälde mit den Titeln „A Woman Was“ und „A Girl Was“ befassen sich mit der Idee des Passivs. Sie bieten uns eindringliche Einblicke in einen Körper, die die Entmachtung widerspiegeln, die der passiven Sprache innewohnt.

Vier weitere Gemälde mit den Titeln „Family Honour“, „Passion Killing“, „Family Drama“ und „Family Tragedy“ analysieren die Euphemismen, die in Medien und Interviews häufig verwendet werden, um die Schwere geschlechtsspezifischer Gewalt herunterzuspielen. Indem sie die Etymologie und den Ursprung dieser Wörter erforscht, enthüllt Pop die beunruhigende Diskrepanz zwischen der Sprache und dem tatsächlichen Trauma, das die Frauen erleben. Die Worte „Family“ (Familie) und „Passion“ (Leidenschaft) vermitteln scheinbar Intimität und verwurzelte Beziehungen und verschleiern die Schwere der Gewalt. Die Wörter „Tragedy“ (Tragödie) und „Drama“ hingegen distanzieren die Öffentlichkeit von diesen schrecklichen Ereignissen und reduzieren sie auf ein bloßes Spektakel, so als ob das Publikum ein antikes griechisches Theaterstück aus der Ferne betrachten würde.

Ein entscheidendes Element bei der Verwirklichung des Projekts war eine Reihe von Interviews, die die Künstlerin während ihres Aufenthalts führte. Die Befragten äußerten sich häufig besorgt über den Gebrauch von Passiva und Euphemismen in den Medien. Die Gemälde, die diese Euphemismen und die passive Sprache darstellen, dienen daher als Bindeglied zwischen der in der Presse verwendeten Sprache und den in Berlin geführten Interviews.

„Passive/Active“ fordert uns auf, uns mit der Macht der Sprache bei der Aufrechterhaltung geschlechtsspezifischer Gewalt auseinanderzusetzen und die heimtückischen Methoden zu hinterfragen, mit denen sich die Gesellschaft hinter Worten versteckt. Dieses zum Nachdenken anregende Projekt ruft zu Veränderungen auf und fordert einen Wandel in unserem kollektiven Bewusstsein. Oana Maria Pops Arbeit fordert uns auf, aus der Passivität der Sprache auszubrechen und uns aktiv am Kampf gegen Missbrauch zu beteiligen, indem wir uns mit den Überlebenden solidarisieren und uns für eine Welt ohne geschlechtsspezifische Gewalt einsetzen.

Text: Liviu Bulea


Oana Maria Pop

Oana Maria Pop (geb. 1989) ist eine rumänische Künstlerin, zu deren Techniken Öl und Acryl auf Leinwand, die Arbeit mit Industriesilikon und Fotografie gehören. In ihrer künstlerischen Praxis verarbeitet sie die Stadtviertel, in denen sie aufgewachsen ist, sowie andere Umgebungen, die sie beeindruckt haben. Im Mittelpunkt der von ihr dokumentierten Räume steht die menschliche Gestalt und die Spuren, die bestimmte äußere Erfahrungen hinterlassen. In den letzten Jahren konzentrierte sich Oana Pops Arbeit auf die Auseinandersetzung mit der Darstellung von Frauen in Kunst und Gesellschaft sowie auf die Kritik an der Aufrechterhaltung von Mythen über Vergewaltigung, häusliche Gewalt und andere Formen des Missbrauchs an Frauen und jungen Mädchen.

Instagram: @oana.maria.pop

Webseite: https://oanamariapop.wixsite.com/oanamariapop