Nikki Spanou

Nikki Spanou

Reconstructing Babel


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Was bedeutet es, in einer Umgebung zu leben, zu handeln und einen Alltag zu meistern, deren Sprache man nicht versteht? Ist es möglich, in einer anderssprachigen Umgebung authentisch zu sein? Wie verändert sich der eigene moralische Kompass in einer neuen, verwirrenden Umgebung, in der man sich erst orientieren muss?

Nikki Spanou geht in ihrer Arbeit den Beziehungen zwischen einer –unverständlichen– Sprache und der Lebensrealität an einem neuen Ort nach. Als erste Annäherung interviewte die Theaterkünstlerin und Regisseurin Menschen, die sich Berlin als neuen Lebensmittelpunkt gewählt haben. Gründe für diese Entscheidung waren die vergleichsweise günstigen Lebenshaltungskosten, die Vielfalt an Lebensentwürfen sowie der Stellenwert von Kunst in Berlin.

In den Interviews antworteten die Gesprächspartner*innen teilweise in ihrer Muttersprache. Im Ausstellungsraum sind diese Ausschnitte als Sprachengewirr zu hören, das nicht auf Anhieb verständlich ist und in seiner ernsthaften Unverständlichkeit an DADA erinnert. In einer achtstündigen Performance, die in der Ausstellung vollzogen und danach als Aufzeichnung zu sehen sein wird, lehnt sich Spanou an Freuds Konzept eines Es, eines Ich und eines Über-Ich an. Das Es wird in diesem Modell aus Kisten verkörpert, die gefüllt sind mit Verpackungsmaterialien, Werkzeugen wie beispielsweise Scheren und Paketband sowie mit persönlichen Gegenständen, die in den Gesprächen mit den Neuberliner*innen auftauchten. Das Über-Ich wird dargestellt durch eine Figurine aus Metall, sie ist mit einem voluminösen Rock aus Polsterchips und Plastikfolie bekleidet. Während der achtstündigen Performance wird dieser Rock stetig zerstört und solange wieder neu arrangiert bis kein Material mehr übrig ist. Das Ich wird durch die Performerin dargestellt, die zwischen dem Es und dem Über-Ich vermittelt, um die Erscheinungsweise des Über-Ich zu verändern und dadurch auch sich selbst.

Umgeben ist die Szene von Neonlichtbuchstaben, die jedoch nur als Kauderwelsch zu entziffern sind. Während der Umgestaltung des Rockes bittet die Performerin das Publikum um Hilfe. Jedoch sind diese Hilfegesuche auf Griechisch. Im Laufe der Performance benutzt Spanou immer mehr Körpersprache, um das Publikum zu ermutigen, bestimmte Werkzeuge zu bringen. Übergeordnet ist die Frage, wieviel Empathie die Zuschauenden in einer Situation aufbringen können, in der sie die Sprache nicht verstehen und wenig Wissen über den Kontext der Performerin haben.



Text: Dr. Silke Förschler



Nikki Spanou

Sie studierte antikes und zeitgenössisches Theater in Griechenland. Nikki hat ihr ganzes Leben lang mit Theater und darstellenden Künsten zu tun gehabt. Nach dem Abschluss ihres Theaterstudiums im Jahr 2017 hat sie ausschließlich am Theater als Darstellerin, Regisseurin und Licht- und Tontechnikerin für Theaterproduktionen in ganz Athen gearbeitet. Außerdem ist sie Autorin mit zwei veröffentlichten Kurzgeschichten, zwei gewonnenen Kurzgeschichtenwettbewerben und einem dokumentarischen Theaterstück über die Verbrechen und Prozesse der Manson-Family-Morde, das drei Monate lang im Argo Theater in Athen aufgeführt wurde.

Ihre Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf aktuelle Ereignisse mit Kommentaren zu aktuellen Themen und dem ständigen Kampf, ein Mensch in einer Welt zu sein, die die Menschheit selbst geschaffen hat. Das Hauptziel ihrer Kunst ist es, politisch zu sein, ohne eine bestimmte Richtung einzuschlagen, sondern indem sie die Menschen dazu bringt, selbst zu denken und mit ihren Performances zu interagieren und daran teilzunehmen.