Nika Ham

Nika Ham

„Squat“, 2020

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Die Phrase „die Verhältnisse zum Tanzen bringen“ ist vielleicht schon oft rezitiert worden, aber selten wurde der bekannte Satz wörtlich genommen. Mit dem Video „Treature“ (3‘44“), das die Künstlerin Nika Ham aus Ljubljana/Slowenien in Zusammenarbeit mit dem Berliner Musiker junk-E-cat produziert hat, ist den beiden aber genau das gelungen: Zum Tanzen bringen sie die Verhältnisse, die zwischen dem Museumsraum, seinen Besucher*innen und dem Überwachungssystem existieren.

Der Film spielt in den Räumen des URBAN NATION Museum for Urban Contemporary Art, Berlin, einem Kooperationspartner von Fresh A.I.R. und ebenfalls ein Projekt der Stiftung Berliner Leben. Gezeigt werden uns die Ausstellungsräume ausschließlich aus den statischen Perspektiven der Überwachungskameras. Von oben blicken wir zunächst auf den Eingangsbereich und sehen, wie ein Museumswächter die Tür verschließt.

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In der nächsten Einstellung können wir beobachten, wie er kontrollierend durch die leere Ausstellungsarchitektur schlendert. Auf einmal tauchen in seinem Rücken Gegenstände und Figuren auf. Erst nur für einen kurzen Moment, dann sehen wir, wie sie über den Boden kriechen, auf Stühle klettern oder einfach nur dastehen. Bewegtbild und Stop-Motion Sequenzen wechseln sich ab und folgen dem schnellen Beat der elektronischen Musik. Auf einmal beginnt der Museumswächter zu tanzen, erst nur zögerlich, aber spätestens, wenn die zwei maskierten Kreaturen und die junge Frau mit den blonden Haaren den Raum mit ihren Bewegungen übernommen haben, auch exzessiv und wild. Eine Stimme singt immer wieder „Don’t be afraid to dance to a creature“ (Hab’ keine Angst mit einer Kreatur zu tanzen) und „it’s got a lot a lot to teach ya“ (es kann dir eine Menge, eine Menge, beibringen), während die vier Körper durch die Galerien und Gänge gleiten, kullern, toben. Zum Sound eines Saxophons sind die Gesten und Moves mal ausgelassen und dann wieder mechanisch wiederholend, dabei aber nie bedrohlich, sondern skurril, komisch und überraschend – „it just wants to play and meet ya“ (es will nur spielen und Dich treffen) betont auch die Stimme aus dem Off.

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Im Rahmen ihres Langzeitprojektes „Squat“ (auf Deutsch: Hausbesetzung, ein Haus besetzen) hat Nika Ham sich in ähnlicher Weise bereits mit verschiedenen Museen performativ und filmisch auseinandergesetzt. Was an ihren daraus hervorgegangenen Videos am meisten beeindruckt, ist, wie sich die Künstlerin mit ihrem eigenen Körper in das System aus Museumsarchitektur und Überwachungskameras einschleicht, es dabei durcheinanderbringt und auf den Kopf stellt, aber es gleichzeitig auch sehr wertschätzt. Für diese Leistung darf man den berühmten Spruch von Karl Marx ruhig noch mal zitieren, der im Original eigentlich besagt: „Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt“ (1). Und genau das tut Ham hier: die Kameras, die schon mit ihrer bloßen Installation dafür sorgen, dass Museumsbesucher*innen sich in der institutionellen Architektur regelkonform benehmen, werden für ihr Gegenteil verwendet. Sie zeichnen eine Choreographie von Gesten und Bewegungen auf, die teilweise zwar nur minimal, aber gerade deswegen lustig sind, weil sie dem eingeübten Verhaltenskodex so gar nicht entsprechen und mehr oder weniger sinnlos erscheinen. Marx hat mit seiner Aussage letztlich darauf verwiesen, dass es nicht ausreicht, die Verhältnisse einfach nur verbessern oder reformieren zu wollen, vielmehr sollte man sie daran erinnern, wofür sie eigentlich gedacht sind, ihnen diesen Sound vorspielen und damit die Ordnung der Dinge gehörig durcheinanderbringen.

(1) Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843).

Text: Dr. Kea Wienand


Über Nika Ham

Die Slowenin Nika Ham (*1991) ist diplomierte Malerin und hat zusätzlich einen Master in Malerei der Akademie für Bildende Kunst in Ljubljana, Slowenien. Sie studierte in Großbritannien, war an verschiedenen Projekten beteiligt, die von der Stadt Ljubljana unterstützt wurden und war Teil zahlreicher Gruppen- und Einzelausstellungen.

Ab dem Jahr 2016 war sie als Head of Graphic Design für das LET’S CEE Film Festival in Wien tätig. Zudem arbeitete sie im Museum of Modern Art in Ljubljana und in der Laibach Kunst-Abteilung.

In den letzten Jahren wechselte sie ihren künstlerischen Fokus: Weg von der Malerei, hin zu Video, digitaler Kunst und Performance. Für ihre Arbeiten besetzt sie die Räumlichkeiten kultureller Institutionen und erstellt aus dem dabei von Überwachungskameras aufgezeichneten Video- und Bildmaterial ihre Arbeiten.

Zudem arbeitet sie bei Theater- und Performance-Aufführungen mit und ist mit ihren Grafiken und Videos fester Bestandteil der Club-Szene in Ljubljana.

Weitere Informationen über die Künstlerin unter:

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