from being to doing zurück zur Übersicht | read this article in english Für die meisten Menschen ist Sprache ein natürliches Kommunikationsmittel. Für Marjolein Guldentops jedoch hat Sprache in Form von Gedichten und anderen Wortspielen einen zentralen Platz in ihrem Leben eingenommen. In ihren Zeichnungen legt sie den Fokus auf konstruierte Wortspiele und verwandelt Nomen in Verben, um die Betrachter*innen zum Nachdenken über ihr eigenes Dasein und Handeln anzuregen. Mit nur vier Bleistiften unterschiedlicher Härtegrade kreiert Guldentops Zeichnungen auf Papier, die zunächst aussehen, als seien sie gedruckt. Diese Idee entstand, als ihr Drucker einen minderwertigen Ausdruck mit ungleichmäßigen Linien und Farbabstufungen produzierte und damit die Unvollkommenheit der Technik offenbarte Maschinen sind jedoch auch in der Lage, Buchstaben perfekt zu modellieren. Die Sätze in ihren Zeichnungen, wie „drivers (over) drive“ oder „doers (un) doing“, sind untereinander aufgereihte, leere Flächen in einer Computerschriftart. Aufgrund der Herausforderung, diese Schriftart von Hand nachzuempfinden und den Hintergrund in verschiedenen Grauabstufungen zu gestalten, ist sie bestrebt, die perfekte Buchstabenform darzustellen und gleichzeitig die sichtbaren Striche, die ihre Zeichenhand hinterlässt, anzunehmen. Dadurch wird die Grenze zwischen maschineller Präzision und menschlicher Unvollkommenheit verwischt. Video: YES, AND… productions GmbH & Co. KG Mit ihren Arbeiten rückt Guldentops nicht nur die Sprache, sondern auch deren visuelle Darstellung in Form von Schrift in den Fokus. Schrift ist nicht nur Sprache, sondern auch eine Form der Bildlichkeit. In vielen künstlerischen Disziplinen spielt die Schriftbildlichkeit eine wichtige Rolle, da die Vielfalt ihrer typographischen Ausformungen einen großen Spielraum für Interpretationen und Wirkungen ermöglicht. Die Wahl der Schriftart sowie die Anordnung von Buchstaben, Wörtern und ganzen Texten können dazu beitragen, die Ideen und Botschaften der Künstlerinnen und Künstler zu vermitteln. Schrift ist mehr als nur eine Erzählung des Inhalts. Durch die Integration von Bildern wird sie zu einem komplexeren und vielseitigeren Instrument, das neben offensichtlichen Inhalten noch viel mehr transportieren kann. Die Art und Weise, in der Worte und Zeichen visualisiert oder bewusst nicht visualisiert werden, kann deren Bedeutung verändern und ihnen zusätzliche, tiefgründige Bedeutungen verleihen. Guldentops untersucht mit ihren Wortspielen die Interaktion von Menschen mit ihrer Umwelt. Dabei lässt sie sich von verschiedene philosophischen Ansätzen inspirieren, wie zum Beispiel dem von Donna J. Haraway. Die US-amerikanische Wissenschaftstheoretikerin argumentiert, dass Menschen ihre Umgebung nicht nur gestalten, sondern auch kontinuierlich von ihr geprägt werden. Zusätzlich dazu bezieht sich Guldentops auf weitere Ansätze, die Handlungen als verkörperte Praktiken erklären, die aus Erfahrungen und Interaktionen entstehen. Die meisten unserer Alltagshandlungen wie Auto fahren, Geschirr abwaschen oder Fahrrad fahren führen wir aus, ohne darüber nachdenken zu müssen. Wir funktionieren also den größten Teil unserer Zeit auf Autopilot. Durch Guldentops‘ Werke werden wir dazu aufgerufen, uns dieser Handlungen bewusst zu werden. Zusätzlich zu dieser Form der Bewusstmachung hat sie eine weitere Serie geschaffen. Die kurzen Sätze „being here“, „being there“ und „being aware“ sind miteinander verbunden und stehen in Beziehung zueinander. Das Lesen der Worte „being here“ regt das Publikum an, sich des Hier und Jetzt und der bloßen Existenz bewusster – also „aware“ – zu werden. Marjolein Guldentops‘ mehrdeutige Wortspiele lassen Spielraum für jede und jeden, die eigene Wirklichkeit zu reflektieren und lassen durch ihre Einfachheit ein breites Spektrum an individuellen Interpretationen zu. Text: Luca Sophie Hillbrands Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Photo: Sebastian Kläbsch/berlinARTcore Marjolein Guldentops Marjolein Guldentops ist eine multidisziplinäre Künstlerin aus Belgien. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit dem Zusammenspiel von Sprache, Ort und urbanen Rhythmen, indem sie grafische und typografische Elemente, räumliche Kompositionen und liedartige Sequenzen zusammenfügt. Sie arbeitet mit einer Vielzahl von Sprachsystemen und nutzt die Mehrdeutigkeit und Konvention der Sprache, um mehrere Bedeutungsebenen und Interpretationen zu vermitteln. Ihre Arbeiten nehmen verschiedene Formen an, die von Performance über Zeichnung und Publikation bis hin zu Installation reichen. Instagram: @marjolein_guldentops Webseite: https://www.marjoleinguldentops.com/