Backende Kinder mit Schürze der Stiftung Berliner Leben

Kita-Kids begreifen Lebensmittel

Frieda (5) halbiert beherzt die erste Gemüsezwiebel ihres Lebens. Mit ihrer Kochmütze und Schürze sieht sie sehr professionell aus. „Geht ganz schön schwer. Ist ja auch groß. Aber ich schaff´ das.“ Der neugelernte Tunnelgriff macht´s möglich: Ihre linke Hand hat die Zwiebel fest im Griff und bildet dabei einen Tunnel, mit der rechten setzt sie das Messer vor dem Tunnel an. Als Friedas Augen anfangen zu brennen, legt sie ihr Messer auf dem sogenannten Messerparkplatz ganz ordentlich ab und wäscht sich die Hände.

Fredi (5) ist schon ein alter Hase beim Kochen und gehört zu den guten Schneidern in der Kürbisgruppe: „Ich mach das öfter. Hab auch schon mal Kürbissuppe gekocht, aber ohne Grünzeug.“ Die beiden kleinen Köche sind Vorschulkinder in der Lichtenberger Kita Sonnengarten und nehmen am Kochkurs der Sarah Wiener Stiftung teil. Auch Elias, Elisabeth, Emil, Felix, Fiete, Ida, Mar, Mathilda, Sarja und Theo arbeiten am Mittagessen und riechen, fühlen, schnippeln und schmecken. Auf der Speisekarte stehen heute auch Dinkelbrötchen und zum Nachtisch Apfelkompott und Vanillequark.

Heute steht auf dem Programm: Riechen, fühlen, schnippeln und ganz oft schmecken.

Die Ökotrophologin Linda von Glahn vom Bildungsprogramm-Team der Sarah Wiener Stiftung leitet den Kurs und wird dabei von zwei Erzieherinnen unterstützt. Linda von Glahn: „Man wird ein eingespieltes Team. Manche Kinder helfen zu Hause mit und sind schon in Schnitttechniken geübt. Für andere ist das ganz eine neue Erfahrung.“ Das gemeinsame Kochen vermittelt Ernährungswissen: Gemeinsam entdecken die Kids die bunte Welt der Lebensmittel und schauen sich die Rohprodukte an, zum Beispiel Beete, Fenchel, Radieschen und Rettich. Frieda (5) ist ein Rote-Beete-Fan: „Vom Schneiden kriegt man rote Hände. Das ist toll. Aber am liebsten gucke ich in den Spiegel und sehe die rote Zunge.“

Das Essen soll in erster Linie schmecken. Und wenn es gesund ist, dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.

Linda von Glahn, ÖKOTROPHOLOGIN

Wenn Kinder Lebensmittel kennen, sie zubereiten und genießen, können sie vielfältig und bewusst essen. Linda von Glahn: „Nach dem Selberschneiden, Anfassen und Riechen ist es nicht mehr schwierig, die Kinder zum Probieren zu bringen. Sie schmecken zumindest mit ab.“ Im Kochkurs erleben die Kinder ganz praktisch, woher Lebensmittel kommen und wie aus ihnen eine frische und leckere Mahlzeit wird. Linda von Glahn arbeitet dabei ohne erhobenen Zeigefinger: „Das Wort ‚gesund’ erwähnen wir gar nicht. Denn Gesundheit ist für Kinder noch kein Argument. Das Essen soll in erster Linie schmecken. Und wenn es gesund ist, dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.“

Das Projekt: „Kita-Kids begreifen Lebensmittel“

Mar (5) ist für die Rohkost verantwortlich und schneidet unverdrossen ihre dritte Gurke. „Heute kommen die Eltern und essen mit. Da hab ich zu tun. Ein ganzer Haufen für alle.“ Ihr Leibgericht? „Nudeln mit Tomatensauce und Käse. Das macht Papa. Wenn Mama kocht, dann schneide ich mit. Am liebsten Pilze.“ Elisabeth (5) rutscht die Kochmütze vom Kopf, als sie die Apfelsinenschale für das Apfelkompott reibt: „Zu Hause reib´ ich öfters. Meist Apfel. Das geht leichter.“ Syra (5) wäscht in der Zwischenzeit eine große Schüssel ab und strahlt: „Wer sauber macht, ist fleißig“.

Die zwölf Kita-Kids lernen an sechs Terminen Schritt für Schritt, wie aus einzelnen Zutaten ein fertiges Essen wird – und sind mit viel Begeisterung bei der Sache. Erzieherin Isolde Zander: „Unsere Kinder haben in der Küche Ausdauer. Zu Hause erzählen sie viel, kochen die Rezepte nach und zeigen stolz ihrer Familie, was sie gelernt haben, zum Beispiel den Tunnel- und Krallengriff beim Schneiden.“ An einigen Kühlschränken in Lichtenberg hängt neuerdings eine Einkaufsliste für die Kinder. Linda von Glahn: „Wir geben Anregungen, zum Beispiel für die Frühstücksbox. Manchmal denken die Eltern ‚Das mögen die sowieso nicht’ – und jetzt sagt ihr Kind von selbst ‚Ich mag gelbe Paprika´.“

„Lecker, lecker, lecker, Fietje ist ein Bäcker“: Die Dinkelbrötchen-Gruppe hat noch Spaß, als die Rohlinge längst im Ofen sind. Das gemeinsame Kochen in der Kita fördert auch die sprachliche Entwicklung und unterstützt soziale und motorische Fertigkeiten. Am Ende muss lediglich ein einziges Pflaster verteilt werden. Isolde Zander: „Heute gab es nur einen kleinen Schnitt. Auch das ist das Ergebnis harter Arbeit.“ Die Kürbissuppe beginnt zu duften. Linda von Glahn: „Jetzt brauchen wir einen Koster!“ Durch den Kochkurs lernen die Kinder, ihr Essen wertzuschätzen und mehr zu genießen. Viele haben für sich entdeckt, wie schmackhaft selbst zubereitetes Essen ist. Fiete (5): „Ich mache zu Hause Kuchen mit meiner Mutter. Mein Vater kriegt davon gar nichts mit. Aber er freut sich dann und ich mich auch.“