Katya Craftsova

ZUHAUSE – ein Brettspiel für 3 – 8 Spieler*innen

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Die Wohnungsnot in Berlin ist allgegenwärtig. Im öffentlichen Raum sind Plakate angebracht, ebenso in Cafés. Gespräche drehen sich oft um die Wohnungssuche, um Eigenbedarfskündigungen und um Mieterhöhungen. Die Künstlerin Katya Craftsova widmete sich in ihrer Zeit in Berlin dem komplexen, teils undurchdringlichen und bodenlosen Feld der Wohnungssuche in Berlin. Ein Ergebnis ihrer Recherchen ist die Veröffentlichung der von ihr geführten Interviews. Mithilfe von Interviewpartner*innen beleuchtet Craftsova verschiedene Aspekte des Berliner Mietmarktes. Die Interviews sind auf der Website zuhause.bandcamp.com nachzuhören.

Zu hören sind unter anderem die Schilderungen einer Künstlerin, die vom Pingpong zwischen Wohnungssuche und der Anmeldung beim Bürgeramt berichtet. Ein Geflüchteter aus der Ukraine schildert seine Erlebnisse in Berlin. Ein anderer Interviewpartner berichtet davon, wie schwer es ist, einen Termin für eine Wohnungsbesichtigung zu bekommen. Eine Künstlerin und ein Architekt schildern ihre Recherchen zu Gentrifizierungsprozessen, von den Abwanderungen aus dem Zentrum nach außerhalb des S-Bahnrings oder in das Umland. Perspektiven von Aktivist*innen, die für bezahlbaren Wohnraum kämpfen und gegen Spekulation lässt Craftsova ebenso zu Wort kommen wie Interviewte, die die aktuelle Gesetzeslage vorstellen. Die Arbeit der Konzeptkünstlerin lässt sich als eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation des Berliner Wohnungsmarktes verstehen oder auch als Chance, ähnliche Erfahrungen auszutauschen. Weitere Aspekte, die beleuchtet werden, sind Wohnformen, in denen das Teilen von Räumen zentral ist, sowie Enteignungsinitiativen, die Wohnen und Mieten wieder in städtischem Besitz anstreben und darin die Möglichkeit sehen, die Mietpreise in der ganzen Stadt stärker unter Kontrolle zu halten.

Video: YES, AND… productions GmbH & Co. KG

Ein weiteres Ergebnis ihres künstlerischen Projektes ist die Transformation der Begriffe und der zentralen Aussagen, der Prozesse und Abläufe, die in den Interviews geschildert werden, in ein Brettspiel. Derart können einzelne Etappen auf dem Weg zu einer Mietwohnung in Berlin spielerisch erfahrbar gemacht werden. Das Ziel des einheitlich visuell gestalteten Brettspiels ist es, einen Mietvertrag für eine bezahlbare Wohnung in Berlin in den Händen zu halten. Mit Karten, die die Ausgangslage, also die Identität, das Einkommen, den Status vorgeben, kann der Weg auf der Suche nach den geforderten Dokumenten und den zur Verfügung stehenden Wohnungen nachgespielt werden. Eine Antwortkarte gibt schließlich das Ergebnis der Wohnungssuche bekannt. Am Ende des Spiels sind die Spieler*innen mit den zentralen Begriffen wie Anmeldung, Schufa-Auskunft, Gehaltsnachweis, Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, Kaution und WBS bestens vertraut.

Craftsovas Arbeit ermöglicht eine spielerische Annäherung an ein vielschichtiges Thema, das die Bandbreite von politischen Entscheidungen, globalen Finanzmärkten, Stadtentwicklung und individuelle Erfahrungen eines letztlich auch sehr privaten Raumes verbindet. Auf der abstrakten Ebene von Spielkarten werden das Private und das Öffentliche, Politikebenen und individuelle Erlebnisse miteinander verschränkt.

Text: Dr. Silke Förschler


Katya Craftsova

Katya Craftsova ist eine multidisziplinäre Künstlerin mit einem Hintergrund in Malerei (Odessa College of Art, Ukraine) sowie Grafik und Design (Moscow University of Printing Arts, Russland). Seit 2011 führt sie ortsspezifische Projekte mit sozialem Engagement in verschiedenen Ländern durch und erforscht dabei lokale kulturelle Codes.

Instagram: @craftsova_katya

Webseite: https://craftsova.com

Der Aufenthalt bei Fresh A.I.R. wurde gefördert durch ein Sonderstipendium der Hans und Charlotte Krull Stiftung.