„Matter“, 2020 Read this article in English Der englische Begriff Matter bezeichnet die Materie/die Substanz, aber auch die Angelegenheit/die Bedeutung, im Sinne von was ins Gewicht fällt. Die Theoretikerin Karen Barad konstatierte zu dem Terminus jüngst „There is an important sense in which the only thing that does not seem to matter anymore is matter (1) („Auf bedeutsame Weise ist die Materie das einzige, was nicht mehr (ge)wichtig zu sein scheint.“). Sie pointierte damit ihre Forderung, der Materie mehr Aufmerksamkeit zu schenken und tradierte Annahmen der Metaphysik weitergehend zu überdenken. Die Künstlerin, die unter dem Namen DURA auftritt, hat sich im Rahmen des Fresh A.I.R.-Stipendiums der Stiftung Berliner Leben ebenfalls mit Materie befasst. Sie ist dem aktuellen philosophischen Diskurs dabei jedoch nicht einfach gefolgt, sondern hat sich dem Thema in eigener Weise angenommen. Mit künstlerischen Mitteln rücken ihre Arbeiten etwas in die Aufmerksamkeit, was in einer Wahrnehmung, die gewohnt ist, sich auf menschliche Subjekte und deren Gebrauch von Zeichen und Sprache zu konzentrieren, möglicherweise verloren geht, oder was nur schwer greifbar ist. Dura vor ihrer Arbeit »Matter | Endless Dialog« (2020) in der Bülowstraße 97 | Foto: F. Seyfert »ACDC versus Scooby-Doo« (2020), Filmstill | © Dura» »Matter« (2020), Filmstill | © Dura» »Matter | HOAX« (2020) | Foto: F. Seyfert »Matter | HOAX« (2020) | Foto: F. Seyfert »Matter | Endless Dialog« (2020) | Foto: F. Seyfert In ihrer ersten Arbeit filmte sie zwei Doggen, die spielerisch miteinander kämpfen. Der dreiminütige Film „ACDC versus Scooby-Doo“ verwandelt die einzelnen Bewegungen der beiden Tiere in Sequenzen, die teilweise auch rückwärts abgespielt werden. Die Tierleiber wirken darin besonders massig und gewichtig, zugleich in ihren Gesten aber auch grazil und elegant, so als folgten die Hunde bestimmten Codices, die jedoch nicht als Regeln oder in semantischen Zeichen festgeschrieben sind. Die jeweiligen Verhaltensweisen scheinen sich vielmehr erst in der Interaktion der Tierleiber zu ergeben, wobei das Demonstrieren von Kraft durchaus wesentlich ist. Wenn der Bildschirm, auf dem der Film gezeigt wird, in ein Sportgerät (eine Pull-Up Bar) montiert ist, evoziert dies die Frage, inwiefern auch das Trainieren von menschlichen Körpern als Teil eines solchen wechselseitigen Spieles verstanden werden kann. Oder wie man diesen Akt noch begreifen könnte, wenn man ihn nicht nur als Verfolgung eines tradierten Körperideals verstehen will, das sich an solchen Stangen eben auch materialisiert. Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren Video laden YouTube immer entsperren CjxmaWd1cmUgY2xhc3M9IndwLWJsb2NrLWVtYmVkLXlvdXR1YmUgd3AtYmxvY2stZW1iZWQgaXMtdHlwZS12aWRlbyBpcy1wcm92aWRlci15b3V0dWJlIHdwLWVtYmVkLWFzcGVjdC0xNi05IHdwLWhhcy1hc3BlY3QtcmF0aW8iPjxkaXYgY2xhc3M9IndwLWJsb2NrLWVtYmVkX193cmFwcGVyIj4KPGlmcmFtZSB0aXRsZT0iRnJlc2ggQS5JLlIuIC0gRFVSQSAmcXVvdDvigJ5BQ0RDIGFuZCBTY29vYnktRG9v4oCcJnF1b3Q7IiB3aWR0aD0iODgwIiBoZWlnaHQ9IjQ5NSIgc3JjPSJodHRwczovL3d3dy55b3V0dWJlLW5vY29va2llLmNvbS9lbWJlZC9POXlNYnVBSWpZYz9mZWF0dXJlPW9lbWJlZCIgZnJhbWVib3JkZXI9IjAiIGFsbG93PSJhY2NlbGVyb21ldGVyOyBhdXRvcGxheTsgZW5jcnlwdGVkLW1lZGlhOyBneXJvc2NvcGU7IHBpY3R1cmUtaW4tcGljdHVyZSIgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuPjwvaWZyYW1lPgo8L2Rpdj48ZmlnY2FwdGlvbj5EVVJBICJBQ0RDIHZlcnN1cyBTY29vYnktRG9v4oCdPC9maWdjYXB0aW9uPjwvZmlndXJlPgo= Mit zwei Wandskulpturen nähert sich die Künstlerin dem Themenfeld Materie nochmal in gänzlich anderer Weise. Beide bestehen aus schwarzen Metallbuchstaben, die an der Wand angebracht wurden. Schon deren Materialität betont die gewichtige materiale Präsenz im Raum, während die Typographie zusammen mit der Farbe minimalistisch bleibt. Zu lesen sind in der Arbeit „Endless Dialog“ Begriffe und Zeichen wie <DOCTYPE.html>, <html>, >body<, <script>, <alert> sowie der Slogan <it doesn’t matter>, die aus dem Bereich des Digitalen bzw. aus einer Programmiersprache stammen und damit eigentlich ohne materielle Basis sind. Aufgeführt hat DURA hier fehlerhafte digitale Codes. Einer von diesen wurde mal verschickt, nach einem Klick öffnete sich eine Datei mit der Botschaft „it doesn’t matter“ („es macht nichts“), die sich nicht schließen ließ, sondern durch ein erneutes Klicken eine neue Datei öffnete, was einen endlosen Dialog provozierte. Die Vorstellung von Materie wird auch in diesem Kontext herausgefordert. Wie lässt sich das Digitale darin einordnen? Und wie lassen sich digitale Fehler theoretisieren, die nicht aus menschlicher Tätigkeit resultieren, aber dennoch existent sind und ins Gewicht fallen? Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren Video laden YouTube immer entsperren CjxmaWd1cmUgY2xhc3M9IndwLWJsb2NrLWVtYmVkLXlvdXR1YmUgd3AtYmxvY2stZW1iZWQgaXMtdHlwZS12aWRlbyBpcy1wcm92aWRlci15b3V0dWJlIHdwLWVtYmVkLWFzcGVjdC0xNi05IHdwLWhhcy1hc3BlY3QtcmF0aW8iPjxkaXYgY2xhc3M9IndwLWJsb2NrLWVtYmVkX193cmFwcGVyIj4KPGlmcmFtZSB0aXRsZT0iRnJlc2ggQS5JLlIuICMzIC0gRFVSQSDigJ5NYXR0ZXLigJwiIHdpZHRoPSI4ODAiIGhlaWdodD0iNDk1IiBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LnlvdXR1YmUtbm9jb29raWUuY29tL2VtYmVkLzV0RGs2Y3dfVEVvP2ZlYXR1cmU9b2VtYmVkIiBmcmFtZWJvcmRlcj0iMCIgYWxsb3c9ImFjY2VsZXJvbWV0ZXI7IGF1dG9wbGF5OyBlbmNyeXB0ZWQtbWVkaWE7IGd5cm9zY29wZTsgcGljdHVyZS1pbi1waWN0dXJlIiBhbGxvd2Z1bGxzY3JlZW4+PC9pZnJhbWU+CjwvZGl2PjxmaWdjYXB0aW9uPkRVUkEgIk1hdHRlciI8L2ZpZ2NhcHRpb24+PC9maWd1cmU+Cg== Mit der Arbeit „Matter“, die aus unscheinbaren Miniprojektionen im öffentlichen Raum besteht, treibt DURA ihr Spiel mit Materie noch ein bisschen weiter: Auf unscheinbare Flächen im öffentlichen Raum projizierte sie fantastische Zeichen und digitale Hologramme von nicht identifizierbaren Objekten. Das zu Sehende ließ sich nicht lesen, nicht (be)greifen und war nur als bestrahlte Lichtteilchen (als Materie?) existent. Und so lassen einen DURAs Arbeiten am Ende mit der Frage zurück, was Materie eigentlich ist, wie sie sich verhandeln lässt und welche veränderte Bedeutung sie im digitalen Zeitalter möglicherweise hat. (1) Barad, Karen: Posthumanist performativity: Toward an understanding of how matter comes to matter. In: Signs, 28 (3), 2003, S. 801. Text: Dr. Kea Wienand Über DURA DURA, geboren in Hannover, studierte Bildhauerei an der Burg Giebichenstein und HfBK Dresden. Sie ist bekannt als Musikerin, Bildhauerin und Soundforscherin – sie arbeitet multimedial und nutzt visuelle Formen und Sounds, um Szenerien zu schaffen. Weitere Informationen über die Künstlerin unter: Website / Facebook / Instagram Der Online-Showcase von Fresh A.I.R. #3 Der Online-Showcase bietet die Möglichkeit, Einblick in die unterschiedlichen, in den verwendeten Medien und entworfenen Ästhetiken extrem vielfältigen Projekte der Künstler*innen des dritten Fresh A.I.R.-Jahrgangs zu nehmen. Zu sehen sind Video- und Bildmaterialien zu den einzelnen Projekten, denen jeweils ein erläuternder Text beigefügt ist, der die ästhetische Erfahrung zu vermitteln sucht. zum Online-Showcase