@danceministerium_berlin zurück zur Übersicht | read this article in english Ein Green Screen, der gleichzeitig eine Tanzfläche ist, ist der Dreh- und Angelpunkt in Denise Ackerls Werk. Die Performance-Künstlerin hat ausgehend von der Tanzfläche, sowohl der realen im Raum als auch einer metaphorischen, ein weitverzweigtes Gefüge erschaffen. Es besteht aus Videos, Fotografien, Instagram-Posts, Performances sowie aus Objekten, die sie auf Berliner Flohmärkten erworben hat. Alle Arbeiten handeln von den Möglichkeiten, sich im öffentlichen Raum frei zu bewegen. Wer darf und kann sich wo und wie bewegen? Welche Beschränkungen und Grenzen gibt es für einzelne, aber auch für Gruppen im öffentlichen Raum? Welche Freiheiten haben einzelne Subjekte und ihre Körper? Welche Möglichkeiten zu Reisen, zu wählen und Teil von etwas zu sein, sind uns schon durch unseren Pass, den Ort unserer Geburt und unsere Eltern gegeben, ohne dass wir dies beeinflussen können? Kamera: berlinARTcore, Michelle NimpschSchnitt: Michelle Nimpsch In ihrem Studio erkundet Ackerl mit Besucher*innen in einer geführten Performance das Potential der Tanzfläche, Bewegungsfreiheit zu finden und diese in den Stadtraum hinein zu tragen. Anhand von Stadtplänen nimmt die Performancekünstlerin historisch Bezug auf Berlin als Mauerstadt, wo sowohl die Grenzübergänge als auch die Mauer die Mobilität reglementierten. Eine wichtige Referenz ist hier David Bowie, dessen Konzert im Juni 1987 direkt an der Mauer stattfand. Das Lied „Heroes“, das er während seiner Zeit im geteilten Berlin schrieb, war auch in Ostberlin zu hören. Die Mauer war also für die Dauer des Konzertes als räumliche Teilung aufgehoben. Auf Fotografien wiederum ist die Künstlerin mit einem Globus zu sehen, der die Grenzen zu Zeiten der deutschen Teilung zeigt. Ackerl platziert sich und den Globus beispielsweise am Berliner Wannsee, in Stralsund an der Ostsee und vor dem Schöneberger Rathaus. An Orten also, an denen die Teilung vollzogen, praktiziert und sichtbar wurde. Gleichzeitig zeigt die Künstlerin Fotos, in denen sie auf ihrer Tanzfläche mit verschiedenen Generationen von Globen gleichzeitig posiert, wie auf einem Familienfoto. Ähnlich wie Discokugeln vermitteln Globen als Objekte auf den ersten Blick eine gewisse Harmonie. Differenzen zwischen Kontinenten, Ländern und Regionen und den Bewegungsfreiheiten ihrer Bewohner*innen sind hier erst einmal unsichtbar. Gleichzeitig regen Globen die Imagination an und laden dazu ein, sich mit den Augen frei und unbeschwert auf ihnen zu bewegen. In einem Video geht die Künstlerin über diese Art der Fantasiereise noch hinaus, hier scheint es so, als würde sie auf dem Mond Tango tanzen. Der Blick auf die Erde aus dem Weltall bildet hier den Hintergrund. Kamera/Schnitt: Denise Ackerl Ein weiterer Fokus im Werk von Ackerl liegt auf der Bewegungsfreiheit von Sexarbeiter*innen und queeren Menschen. Im Nollendorf-Kiez, der queer geprägt ist und wo gleichzeitig viele Sexarbeiter*innen im Stadtraum sichtbar sind, stellt sich die Frage nach unsichtbaren Grenzen und wirksamen Aufteilungen des öffentlichen Raumes. Auf den Zusammenhang von fehlender Bewegungsfreiheit und dem erlassenen Gesetzt zur Meldepflicht von Sexarbeiter*innen macht die Künstlerin in einem Video, betitelt mit „You don’t own me“, aufmerksam. Hier tanzen Schuhe, bedruckt mit roten Lippen, auf dem Berliner Reichstag. Um Sichtbarkeit im öffentlichen Raum als politische Äußerung geht es auch auf den gezeigten Fotografien vom CSD, dessen Route durch den Nollendorf-Kiez führte. Auf dem Instagram Account @danceministerium_berlin sammelte die Künstlerin alle Videos und Performances, die Teil der künstlerischen Arbeit sind. Ackerls Arbeiten machen die Verbindungen zwischen Stadtraum, Grenzen, Körpern und Bewegung deutlich und plädieren für das Recht auf Bewegungsfreiheit als Ausdruck einer diversen demokratischen Gesellschaft. Text: Dr. Silke Förschler Photo: Katerina Sysova Photo: Katerina Sysova Photo: Katerina Sysova Photo: Katerina Sysova Photo: Katerina Sysova Photo: Katerina Sysova Photo: Katerina Sysova Denise Ackerl Dr. Denise Ackerl, geboren 1987 in Wien, ist Performance-Künstlerin mit feministischem Schwerpunkt. Sie erforscht den Übergang zwischen Utopie und dem Wahrhaftigen, häufig im spielerischen Umgang mit der Green-Screen-Technik. Im Jahr 2021 schloss sie ihr praxisorientiertes Promotionsstudium am Chelsea College of Art in London ab (AHRC TECHNE Forschungspreis für DoktorandInnen) und präsentierte ihre Forschung international (New York, Südkorea und Kanada). Im Jahr 2019 war sie Mitorganisatorin und Mitgestalterin von „Women on the Moon“ (Litauen), einer Ausstellung, die sich mit dem feministischen Raumzeitalter auseinandersetzt, und arbeitet als Dozentin für Bildende Kunst, Performance und Gender Studies. Alle Videos ansehen auf: https://vimeo.com/channels/1836017