Dani Gherca

Dani Gherca

„Ikonoklasmus Stalinallee“, 2020

Read this article in English

Die Kehrseite von jeglichem herrschaftlichen Anspruch auf Repräsentation ist ihre Zerstörung im Kontext von Revolutionen, Aufständen und politischen Umbrüchen. Der Ikonoklasmus trifft in solchen Zusammenhängen zunächst meist Bildnisse, wie Denkmäler und Porträts von Herrschenden, kann sich aber auch gegen Gebäude, wie Kirchen, Schlösser oder andere Prachtbauten richten. Der rumänische Künstler Dani Gherca hat sich während des Fresh A.I.R.-Stipendiums der Stiftung Berliner Leben in einer sechsteiligen Fotoarbeit dem „Ikonoklasmus Stalinallee“ angenommen und will damit erklärtermaßen die Entstalinisierung der heutigen Karl-Marx-Allee in Berlin zu einem Ende führen.

Die Stalinallee war in der direkten Nachkriegszeit das Vorzeigeobjekt des nationalen Bebauungsprogramms der Deutschen Demokratischen Republik. Unter Stalin waren neuere, modernistische Stadtplanungskonzepte als dekadent und westlich abgelehnt worden. Stattdessen schrieb die politische Führung der Sowjetunion allen Ostblockländern ein eher konservatives Architekturmodell vor, das eine historische Monumentalästhetik mit klassisch griechischen Elementen vorsah und Anleihen an den Traditionen lokaler Herrschaftsarchitekturen nahm. In der Stalinallee wurde dieses Programm umgesetzt, sie sollte die zentrale Achse Ostberlins bilden, die Stärke des kommunistischen Regimes demonstrieren und Paläste für Arbeiter bereithalten.

Dani Gherca hat sich für sein bilderstürmerisches Projekt drei der markantesten Gebäude/-ensemble des Prachtboulevards ausgesucht, der 1961 – acht Jahre nach Stalins Tod – im Zuge der Entstalinisierung in Karl-Marx-Allee umbenannt, vorher aber noch entsprechend der stalinistischen Doktrin fertiggestellt worden war. Auf den Fotografien unschwer zu erkennen sind die beiden Türme des Frankfurter Tors mit ihren Kuppeln, das Hochhausensemble des Strausberger Platzes und der riesige Wohnblock C-Nord. Die meisten der Aufnahmen sind leicht von unten, frontal oder in Überecksicht aufgenommen. Zwei der Fotografien wurden im Nachhinein rot eingefärbt, so als hätten sie einen massiven Rotstich, wie er sich in fotografischen Verfallsprozessen einstellt, oder als wären es Nachtaufnahmen. Die Bauten wirken dadurch seltsam entrückt und wie aus einer vergangenen Zeit. Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die anderen Aufnahmen ebenfalls digital bearbeitet wurden. Auf der Fotografie des berühmten monumentalen Wohnblocks ist die gesamte Ornamentik der gekachelten Fassade ausgelöscht, die dorischen Säulen und das Dekorum auf dem Architrav des Eingangsportals wurden entfernt und selbst der Zierrat der schmiedeeisernen Balkongeländer ist verschwunden. Der Bau, so lässt sich überlegen, erscheint nun modern und schlicht, obgleich nicht viel weniger wuchtig. Ein weiteres Bild zeigt einen der Türme des Frankfurter Tors in Übereckaufnahme, auch hier lassen sich Veränderungen erkennen: die Kuppel ist nur noch eingeschossig, die Dachkonstruktion wie in einem kubistischen Gemälde verschachtelt und teilweise durchlässig, die Fassade überwiegend einfarbig. Der gewaltige Eindruck ist hier ebenso abgeschwächt. Auch die weiteren Fotografien lassen Manipulationen erkennen, so erscheinen die Säulen von Eingangsportalen demontiert und expressionistisch verdreht.

Beleben YouTube Blocker
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

CjxmaWd1cmUgY2xhc3M9IndwLWJsb2NrLWVtYmVkLXlvdXR1YmUgd3AtYmxvY2stZW1iZWQgaXMtdHlwZS12aWRlbyBpcy1wcm92aWRlci15b3V0dWJlIHdwLWVtYmVkLWFzcGVjdC0xNi05IHdwLWhhcy1hc3BlY3QtcmF0aW8iPjxkaXYgY2xhc3M9IndwLWJsb2NrLWVtYmVkX193cmFwcGVyIj4KPGlmcmFtZSB0aXRsZT0iRnJlc2ggQS5JLlIuICMzIC0gRGFuaSBHaGVyY2Eg4oCeSWtvbm9rbGFzbXVzIFN0YWxpbmFsbGVl4oCcIiB3aWR0aD0iODgwIiBoZWlnaHQ9IjQ5NSIgc3JjPSJodHRwczovL3d3dy55b3V0dWJlLW5vY29va2llLmNvbS9lbWJlZC9xamdiVkMwdDkzND9mZWF0dXJlPW9lbWJlZCIgZnJhbWVib3JkZXI9IjAiIGFsbG93PSJhY2NlbGVyb21ldGVyOyBhdXRvcGxheTsgZW5jcnlwdGVkLW1lZGlhOyBneXJvc2NvcGU7IHBpY3R1cmUtaW4tcGljdHVyZSIgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuPjwvaWZyYW1lPgo8L2Rpdj48ZmlnY2FwdGlvbj5EYW5pIEdoZXJjYSDigJ5Ja29ub2tsYXNtdXMgU3RhbGluYWxsZWXigJw8L2ZpZ2NhcHRpb24+PC9maWd1cmU+Cg==

Indem Gherca etwas überspitzt einen Ikonoklasmus proklamiert und dafür die ornamentale Ausgestaltung und historisierende Bauelemente entfernt, lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Ideologien, aus denen heraus diese Architekturen konstruiert wurden und die sie letztlich weiter vermitteln. In Zeiten, in denen monumentale Herrschaftsbauten vergangener Epochen wieder aufgebaut werden, ist sein Projekt vielleicht weniger eine ernst gemeinte Idee, als ein Hinweis, über den Umgang mit eigentlich überkommenen Architekturmodellen nachzudenken und modernistische Bauten, wie zum Beispiel die der Frankfurter Allee (der zweite Teil der ehemaligen Stalinallee, in dem nach 1961 moderne Konzepte umgesetzt wurden) stärker zu würdigen.

Text: Dr. Kea Wienand


Über Dani Gherca

Dani Gherca wurde 1988 in Bukarest geboren. Für seine Arbeiten nutzt er aktuell bevorzugt Installationen und Photographien. Er gehört zur aufstrebenden Generation rumänischer Künstler, deren Interesse der Verknüpfung von dokumentarischer Photographie und einer konzeptionellen Vorgehensweise gilt.

Er studierte Fotografie an der Nationalen Universität der Künste in Bukarest und seine Arbeiten wurden bereits international an zahlreichen Institutionen für zeitgenössische Kunst ausgestellt: Museo ICO Madrid; Tate Exchange Liverpool; ESSL Museum Wien, MNAC Bukarest.


Der Online-Showcase von Fresh A.I.R. #3

Fresh A.I.R. Showcase

Der Online-Showcase bietet die Möglichkeit, Einblick in die unterschiedlichen, in den verwendeten Medien und entworfenen Ästhetiken extrem vielfältigen Projekte der Künstler*innen des dritten Fresh A.I.R.-Jahrgangs zu nehmen. 

Zu sehen sind Video- und Bildmaterialien zu den einzelnen Projekten, denen jeweils ein erläuternder Text beigefügt ist, der die ästhetische Erfahrung zu vermitteln sucht.

zum Online Showcase