BYE

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„Across the Non-Place”, 2020

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„Across the Non-Place“ lautet der programmatische Titel der ortsspezifischen Rauminstallation, die das spanische Künstlerduo BYE während des Fresh A.I.R.-Stipendiums der Stiftung Berliner Leben erstellt hat. Die Gemeinschaftsarbeit von Borja Moreno und Esteban Ferrer besteht aus schwarzen gesprühten Graffitis auf weißer Wand, auf die großformatige Blätter mit schwarz-weißen Malereien und eine schwarze Plane mit neon-farbenen Sprayereien gehängt wurden. Das Bild- und Zeichenrepertoire aus dem die Bilder und Texte der Gemälde stammen, ist offensichtlich die aktuelle Alltagskultur. Fragmente aus Werbetafeln, Gebrauchsanweisungen und Hinweisschildern wurden nachgezeichnet, abgemalt und zu einem Gewirr von Bildelementen zusammengesetzt.

Die künstlerischen Strategien des Zitats, der Montage oder des Samplings sind für diese Generation längst nichts Neues mehr. Vielmehr scheint das Adaptieren und Aneignen per Hand eine künstlerische Ästhetik zu sein, in der man unlängst zu denken gewohnt ist und mit der man bei den Betrachtenden eine ästhetische Erfahrung evozieren will.

Dominiert ist diese Erfahrung von dem Eindruck, in eine Bildwelt eingetreten zu sein, in der Orientierung nur schwer möglich ist und in der man sich durch die schiere Überfülle von Bildfragmenten in Zeit und Raum verliert. Indem die Elemente auf den Gemälden ineinander übergehen, sich überlappen und überblenden, ist der Installation etwas prinzipiell Unabgeschlossenes und Offenes zu eigen. Dominiert sind die Darstellungen von Versatzstücken unterschiedlicher Architekturen: Hier der Körper einer gotischen Kirche, da Teile eines brutalistischen Hochhausgebäudes, dort eine antike Moschee. Immer wieder sind menschliche Figuren zu sehen, die aus unterschiedlichen historischen Kontexten stammen, viele scheinen irgendwo hin zu streben. Daneben tauchen Texte auf, ebenfalls abgemalt und ähnlich fragmentarisch sind sie kaum zu lesen, nur erahnen kann man, dass sie vermutlich von Gebrauchsanweisungen oder aus Regelwerken stammen. Und so fühlt man sich wie in einem schwarz-weißen Albtraum oder einer unangenehmen Erinnerung, die einen letztendlich auf sich selbst zurückwirft.

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Across the Non-Place

Der Titel „Across the Non-Place“ gibt in dem Gewirr einen Anhaltspunkt. BYE beziehen sich damit erklärtermaßen auf die Ausführungen des französischen Kulturanthroplogen Marc Augé, die dieser 1992 über den urbanen Raum verfasste.(1) Augé attestiert der Gegenwart – der Übermoderne – darin eine Vervielfältigung von sogenannten Nicht-Orten. Ausschlaggebend für seine Analyse sind jüngere Wandlungsprozesse, die zu einer Überfülle und einem Übermaß von Zeit und Raum sowie zu einer stärkeren Individualisierung der Menschen geführt hätten. Die Zeit vervielfältige sich, indem die Ereignisse, von denen wir lesen und hören, sich vermehren. Ein Übermaß an Raum sei gegeben durch die Schnelligkeit unserer Transportmittel, die die Welt letztlich schrumpfen lassen und durch neue Technologien, die es ermöglichen, nahezu zeitgleich von Ereignissen in weit entfernten Gegenden zu erfahren. Diese Übermoderne bringt laut Augé Nicht-Orte hervor: Räume, die keine Identität besitzen und sich weder als relational noch als historisch bezeichnen lassen. Konkret sieht er sie in Transit- oder Funktionsräumen wie Flughäfen und Bahnhöfen, Hotelketten oder Einkaufszentren, aber auch in Durchgangslagern für Geflüchtete realisiert. Ausgestattet seien die Nicht-Orte mit Bildschirmen, Leinwänden und Lautsprechern, durch die diverse Informationen und Bilder vermittelt werden, ebenso mit Leitsystemen, die das Verhalten regeln und anweisen.

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BYE berichten mit ihrer Installation von solchen Nicht-Orten und durchqueren sie. Sie imitieren die visuelle Überfülle und befragen deren Sinnhaftigkeit. Aber gerade wenn man meint, hier sei eine Apokalypse dargestellt und ein Kulturpessimismus am Werk, kippt die ästhetische Erfahrung und man findet in den gesprayten Bildern und Zeichen auch den Hinweis auf Subkulturen, kreativen Widerstand und damit letztlich auch auf die Vorstellung von einem Jenseits dieser Nicht-Orte.

(1) Marc Augé: Nicht-Orte. München: Beck 2019 [Orig. 1992].

Text: Dr. Kea Wienand


Über BYE

BYE (Valencia, 2016) ist ein Kollektiv bestehend aus den Künstlern Borja Moreno und Esteban Ferrer. Die beiden Künstler trafen sich 2011 an der Polytechnischen Universität von Valencia. 2016 gründeten sie die Künstler-Gruppe BYE, um ihre Leidenschaft für die Kunst zu bündeln. In ihren Arbeiten konzentrieren sie sich auf Druckprozesse und experimentieren mit verschiedenen Kunst-Genres wie Installation, Malerei oder Video. Ihr Ziel ist es, eine neue Vision zu entwickeln über die Verbindung zwischen zusammenhangslosen Bildern und ihrer eigenen Bedeutung.

Weitere Informationen zu den Künstlern unter:

Website / Facebook / Instagram


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