Rita António

Ich bin eine Berlinerin

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Liebevoll hält Rita António den Berliner*innen einen Spiegel vor. Mit einem ethnografisch interessierten Blick erkundete António die feinen Unterschiede, die Berlin und seine Bewohner*innen ausmachen. In einem 30 seitigen Buch zeichnet und erzählt sie in Comics ihre Erlebnisse und Beobachtungen. Einzelne Zeichnungen des Buches hat António für die Ausstellung vergrößert. Teil ihrer Präsentation ist auch eine Berlinkarte, die gleichsam das Buch-Cover bildet. Im Buch finden sich schwarz-weiß Zeichnungen, farbenreiche Zeichnungen sowie Zeichnungen, die in nur einer Farbe gehalten sind.

Rita António – „Ich bin eine Berlinerin“

Der Ausgangspunkt ihrer Erkundungen waren Gespräche, Spaziergänge und eine unermüdliche Neugier auf den Berliner Alltag. Dabei betont die Illustratorin und Graphikerin, dass sie sich teilweise schwer in die Klischees und Stereotype verliebt hat, die Berlin auszeichnen. Eine immer wiederkehrende Erfahrung ist der spezielle Umgang mit Bargeld in Berlin. In einem Comic sitzt ein Paar gemeinsam im Restaurant und genießt das Essen. Als es ans Zahlen geht, erfahren sie, dass nur die Barbezahlung möglich ist. Die männliche Figur macht sich mit Rucksack auf die Wanderschaft, nachdem er seiner Freundin noch zugerufen hat, sie solle nicht auf ihn warten und dass er sie liebe. Er läuft durch Hitze, Regen und Schnee, um endlich vor einem Geldautomaten zu stehen und glücklich Bargeld in den Händen halten zu können. Zwischen Alltagserlebnissen und Stereotypen changieren auch die Beobachtungen im Supermarkt, wo jede*r Kund*in beim Auflegen der Waren an der Kasse auf einen „Warentrenner“ als Markierung, des Anfangs und des Endes der eigenen Einkäufe aufmerksam gemacht wird.

In ihrem Buch nutzt António die Möglichkeit in jedem Comic unterschiedliche Charaktere, Typen und Stimmungen des Berliner Großstadtlebens zu portraitieren. Weitere spezifische Berliner Verhaltensweisen, die António in ihren Comics narrativ-zeichnerisch darstellt, sind die Regeltreue der Berliner*innen, da sie im Vergleich zu anderen Großstädter*innen meist an einer roten Ampel stehen bleiben und warten, selbst wenn kein Auto vorbei fährt. Berühmt und berüchtigt ist auch die Berliner Verwaltung für ihre Arbeitsweise. António schildert deren Art zu Arbeiten in einem Comic, der von der Papierversessenheit und von der Starrheit der Berliner Bürokratie handelt. Mit einem leisen Schmunzeln erkennt man sich selbst in der von António konstatierten Art und Weise Smalltalk zu vermeiden, indem man Gespräche mit lediglich einem „genau“ am Laufen hält.

In einer Schöneberger Straßenansicht zeigt António einen Demonstrationszug vor großflächiger Street Art. Als Pendant zum politisch genutzten öffentlichen Raum ist ein in Antónios Augen typischer Berliner Innenraum zu sehen: Ein großes Zimmer, sehr sparsam mit einem Stuhl möbliert auf dem ein Buch der Gendertheoretikerin Judith Butler drapiert ist. Die verschiedenen Charakter stellen viele Orte und Situationen des Großstadtlebens dar.

Gleichzeitig sind die Comics auch immer subjektive Blicke und Erfahrungen einer Frau, die in Portugal aufgewachsen ist. Die fein gezeichneten Bilder und der narrative Gestus unterstützen den Eindruck als Betrachtende, Teil subjektiver Eindrücke zu sein. Gleichzeitig, und darin liegt die Spannung des Buches, analysieren die Comics Berliner Eigenheiten sehr humorvoll und mit einer großen Präzision.

Text: Dr. Silke Förschler



Über Rita António

Rita António ist eine Illustratorin und Grafikdesignerin aus Lissabon. Rita studiert, arbeitet und experimentiert als Künstlerin seit ihrer Jugend. Vom Zeichnen, über das Erstellen von Büchern, Videos, Illustrationen, Animationen, Fotografieren und Klavierspielen, hat sie ihre Identität als Künstlerin in verschiedenen Medien zum Ausdruck gebracht. In ihrer Ausbildung besuchte sie das Musikkonservatorium, die Kunstschule António Arroio und die Fakultät der Schönen Künste in Lissabon, sowie die Universität der Künste in Berlin. Momentan arbeitet sie hauptsächlich als freiberufliche Grafikdesignerin und unter anderem ist verantwortlich für Festivals, wie das OperaFest Lisboa und das Festival Emergente (Lissabon). Sie arbeitete auch mit dem Teatro o Bando und war Kunstlehrerin an einer Grundschule. Ihre Leidenschaft ist die Illustration in eigenen Geschichten, Zeichnungen, Designs und Drucktechniken. Ihre Zeichnungen sind streng und präzise, dadurch provokativ und manchmal sogar schockierend.

Weitere Informationen über die Künstlerin: Website I Facebook I Instagram


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