Komischen Oper Berlin

„Peter Pan“ in der Komischen Oper

„Sag mal: Kriegt man vom Singen eigentlich Kratzen im Hals?“

„Nur keinen Onkel Doktor brauchen und nicht wie Mutter immer älter werden“, singt Wendy Darling in höchsten Tönen, bevor sie alle Gesetze der Schwerkraft überwindet und in den Himmel Richtung Nimmerland aufsteigt. Willkommen in der Welt von „Peter Pan“: Keith Warners Inszenierung von Richard Ayres’ Kindermusiktheater führt an einem trüben Vormittag Grundschüler und Senioren aus Kreuzberg und Spandau in die Komische Oper Berlin. Sie haben am generationenübergreifenden Kulturprojekt „Abenteuer Oper!“ teilgenommen, das seit 2013 nach einem einwöchigen Schulworkshop Sequenzen einer Kinderoper auf die Schulbühne bringt. Traditionell findet das Projekt mit der Aufführung der Profis im Opernhaus einen fulminanten Abschluss. Elisabeth Stiller (65) aus Spandau strahlt nach der Vorstellung: „So viele Schüler aus der Klasse waren noch nie in der Oper, aber sie wussten sich zu benehmen. Oft war kein einziger Mucks zu hören. Einfach Wahnsinn, wie begeistert die Kinder am Ende waren. Sie haben gleichzeitig geklatscht und getanzt.“ Trotzdem hat ihr die „kleine“ Aufführung der Viertklässler in der Spandauer Askanier-Grundschule noch besser gefallen: „Die Schlichtheit hat mich berührt und all die schönen Instrumente, die die Kinder gespielt haben. Aber am schönsten war, als sich alle Kinder zum Schluss voller Freude an die Hände genommen haben, auch die Jungen und Mädchen. Das hätten sie am Anfang des Projekts bestimmt nicht gemacht.“

Das Publikum ist begeistert von der Leistung der jungen Talente.

Wenn´s auch mit der Textverständlichkeit hapert: Die Traumreise ins Nimmerland begeistert

„Seniorin“ Sigrid Buss (74) aus Kreuzberg schwärmt nach der Vorstellung in der Komischen Oper von den historisch-viktorianischen Kostümen: „Der viele Plüsch hier im Theater und auf der Bühne, das ist ganz nach meinem Geschmack. Da kann man doch nicht meckern, wenn die Darsteller sogar noch beim Singen akrobatisch fliegen.“ Für die Schüler der Otto-Wels-Grundschule hält sie ein besonderes Lob bereit: „Die Texte der Sänger waren hier wirklich sehr schwer zu verstehen, das konnten die Kinder besser.“ Auch Batuhan (9) hat nicht viel verstanden: „Die hohen Stimmen, die find´ ich ganz schön anstrengend. Zum Glück wusste ich vorher, um was es hier überhaupt geht. Aber das Krokodil war toll und am spannendsten war´s mit Captain Hook und dem Gift.“ Bass Carsten Sabrowski, der in der Komischen Oper in einer Doppelrolle den bösen Captain und den Vater von Wendy und ihren Brüdern spielt, plaudert voll kostümiert im Nachgespräch aus dem Nähkästchen und wird von den Grundschülern mit Fragen bombardiert: „Warum trägst Du denn so komische Damenschuhe?“, „Wie lange hast Du für Deine Rolle gelernt?“, „Kriegt man vom Singen Kratzen im Hals?“, „Wie lange arbeitest Du schon hier? – und: „Wie habt Ihr das eigentlich mit dem Fliegen gemacht?“ Batuhan ist so viel Blick hinter die Kulissen gar nicht recht: „Er soll doch nichts verraten.“ Diese Einstellung findet Carsten Sabrowski ganz richtig: „Theaterzauber muss auch ein bisschen Zauber bleiben.“

Vom Viertklässler bis zum Vorstandsvorsitzenden: Auf Gedankenreise mit „Peter Pan“

Die Musik zum „Märchen vom Jungen, der nicht groß werden wollte“ ist fantasievoll und klangfarbenreich – mit ein paar schrägen Töne als akustisches Würzmittel. Doch am schönsten wird sie, wenn ein paar hundert Kinder im Publikum begeistert das „Tick Tack“ der Uhr mitsingen, die im Bauch des Krokodils schlägt. Dann bebt der ganze Saal. Hendrik Jellema, Vorstandsvorsitzender der Berliner Leben: „Umwerfend! Diese Energie bei allen Zuschauern, bei Jung und Alt gemeinsam, das macht einfach einen Riesenspaß. Das ist genau das, was wir uns als Stiftung wünschen. Selten, dass das, was man plant, einfach ganz und gar Realität wird.“ Wie viele andere ist er an diesem Vormittag auf eine persönliche Gedankenreise gegangen und erinnert sich bei der Aufführung von „Peter Pan“ an das Märchen „Peterchens Mondfahrt“, in dem ein Maikäfer mit zwei Kindern zum Mond fliegt: „Als ich damals als Junge ganz neu nach Deutschland kam, genauer gesagt ins graue Ruhrgebiet, war diese Geschichte vom Fliegen mein erster Trostspender – und ganz wichtig für mich.“