Mutter und Sohn in der Ludothek

Ein Besuch in der Ludothek

„Hier wird gelacht, gestritten, geteilt – eben alles, was dazugehört“

Stammgast Nina wohnt um die Ecke und ist mit ihrer 19 Monate alten Tochter regelmäßig dreimal in der Woche da. „Wir wohnen zu dritt auf 50 Quadratmetern und das wird bei den steigenden Mieten auch erst mal so bleiben. So ist die Ludothek Claras zweites Wohnzimmer. Hier hat sie ihre ersten Schritte gemacht und trifft sich mit ihren Freunden.“ Zum Beispiel mit Hans (22 Monate), der inzwischen zu Hause schon lautstark fordert „Clara Ludothek“. Auch seine Mutter Nadia ist eine „Stammi“, wie die Stammgäste auch genannt werden. „Viele kommen aus der Nachbarschaft. Auch Besserverdienende, aber vor allem Eltern mit weniger Geld. Schickimicki fühlt sich nicht angesprochen. Hier gibt es keinen Latte Macchiato, sondern Kaffee.“

An diesem Mittwochnachmittag ist bei Clara und Hans der begehbare Kaufmannsladen der besondere Hit. Sie verkaufen gemeinsam eine Plastik-Ananas und beißen symbolisch beherzt ab. Hans´ Mutter Nadia warnt schon lachend: „Die ist bestimmt teuer. Clara ist nämlich Geschäftsfrau. Sie hängt die ganze Zeit am Kindertelefon.“ Nadia ist noch in Elternzeit und kann auch vormittags in die Ludothek kommen. „Dann ist es hier leerer. Aber die echte Stoßzeit kommt, wenn draußen schlechtes Wetter ist.“

Kleiner Besucher in der Ludothek
Über 850 Spielzeuge wartet auf die großen und kleinen BesucherInnen.

In der Ludothek: Das Spielzeug funktioniert für alle Kinder

In der Ludothek spielen Kinder mit und ohne Behinderungen miteinander. Nina: „Hier vermischt es sich. Man kennt sich einfach – und spielt gemeinsam: Mit einem stark schwerhörigen Kind, das sich mit Gebärdensprache verständigt. Mit einem Mädchen mit geistiger Behinderung.“ Die Kinder mit einem Handicap kommen oft in Begleitung eines Einzelfallhelfers. Für die Eltern von Kindern mit Behinderung und deren Geschwister gibt es das Angebot „Familienzeit“, mit dem sie die Ludothek ganz für sich haben und sich vernetzen können. Viele Spielzeuge sind in den internationalen Kreativitätsworkshops des Vereins Fördern durch Spielmittel e.V. gleichermaßen für die Bedürfnisse von Kindern mit und ohne Behinderungen zum gemeinsamen Spiel entwickelt worden. Mariana Brkic, psychologisch-pädagogische Projektkoordinatorin der Ludothek: „Vogel, Rabe, Kühe und Schweine haben zum Beispiel eine Schlaufe und bleiben an der Hand des Kindes. Sie sind dann Spielzeug und Kuscheltier gleichermaßen.“

Die Spielsachen in der Ludothek werden von den Gästen spürbar wertgeschätzt und sind sehr gepflegt. Gegen eine geringe Gebühr können sie für zu Hause ausgeliehen werden. „Stammi“ Nadia: „Das ist praktisch, wenn das Kind gerade damit spielt und sich nicht trennen möchte. Die Kinder lernen zudem, dass sich ein anderes Kind darüber freuen kann, wenn das Spielzeug zurückgebracht wird.“ Mitarbeiterin Mariana Brkic hat ihre persönlichen Favoriten unter den 850 Spielzeugen: „Fühl Memory und Horch Memory sind tolle inklusive Spielzeuge. Im Sommer bauen wir eine Fußtaststraße im Hof auf. Da gehen die Kinder dann barfuß ´rüber.“ Zwischen den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Stammgästen der Ludothek gibt es einen engen gewachsenen Kontakt. Nina: „Claras Babysitter ist Lorenzo, der hier früher gearbeitet hat. Sie hat sich ihren Babysitter sozusagen selbst ausgesucht.“ Neue Gäste werden in der Ludothek herzlich willkommen und schnell integriert.

„Kinderyoga, Trommelkurs: Viele Eltern haben ein volles Programm für ihre Kinder. Hier wird einfach nur gespielt“

Das Publikum in der Ludothek ist buntgemischt: Hier treffen sich Kinder im Entwicklungsalter von 0 bis 6, begleitet von Müttern und Vätern aus vielen Nationalitäten. „Stammi“ Tanya kommt aus Südafrika und wohnt seit zwei Jahren im Kiez. Sie spricht kaum Deutsch und ist froh, dass hier auch viele „English spoken“ sind. „Mein Sohn Thor ist dreieinhalb und liebt das Holzspielzeug und den Clownshut.“ Stammgast Alexandra aus Polen hat ursprünglich in der Ludothek hospitiert, als sie noch keine Arbeitserlaubnis hatte. Inzwischen ist sie Mutter von Oscar (2): „Damals hab´ ich gedacht: Wenn ich ein Kind habe, dann müssen wir hier herkommen. Es sind so tolle Spielsachen, die hier entwickelt wurden. Im Spielzeugladen heißt es immer: ’Bitte nichts anfassen!’ Hier kann man alles probieren und auch ausleihen.“ Oscar ist gerade in der Eingewöhnung in seiner neuen Kita – ebenso wie Hans. Die Mütter tauschen sich aus. Nadia erzählt: „Die Ludothek schafft einen riesengroßen Vorteil: Hans ist hier viel selbstständiger geworden und kennt die Atmosphäre mit vielen Kindern in einem Raum. Er saust in die Kita und spielt einfach mit.“

Geschäftsführer Siegfried Zoels mit einem der jüngsten Besucher.

„Die Leute bekommen Anregungen und werden selbst aktiv“

Geschäftsführer Siegfried Zoels hat 1991 den Verein „Fördern durch Spielmittel“ gegründet. 2003 eröffnete die Ludothek als Spiel- und Begegnungsort für Kinder, Eltern und betreuende Fachleute. Zoels: „Hier lernen die Kinder früh: Man kann nicht alles haben. In der Ludothek spielen alle gemeinsam und man kann sich Spielzeug ausleihen, das man wieder abgibt.“ Die Ludothek ist ein niedrigschwelliges Angebot für alle. „Die Familien gehen einfach aufeinander zu, die Mütter reden miteinander. Auch über Probleme. Denn man muss ja nicht gleich zum Jugendamt gehen, sondern kann sich gegenseitig helfen oder die Mitarbeiter in der Ludothek ansprechen.“ Immer wieder gibt die Ludothek Impulse – und dann ergreifen die Besucher selbst die Initiative. Zoels: „Die Mütter aus Lateinamerika sind vor zwölf Jahren in der Ludothek ins Gespräch gekommen. Was können wir gemeinsam tun? Es fing mit musikalischer Früherziehung an, die inzwischen drei Mal pro Woche stattfindet. Wie funktionieren Kita, Schule und Arbeit in Deutschland? Die Mütter luden sich Experten ein und ihre Kinder wurden parallel in der Ludothek betreut. Heute gibt es die Mamis en Movimiento e. V. in zwölf Bezirken und sie sind Fachberater des Senats für bilinguale Erziehung.“