Exklusive Museumsführung

„Das Museum schafft die Schnittstelle zwischen drinnen und draußen“

Tourguide Tereśa begrüßt die Besuchergruppe im Museum fast provokativ: „Street Art ist anonym und illegal – und findet im öffentlichen Raum statt.“ Heute hat sie es mit einer „ausgezeichneten“ Gruppe zu tun: Die sieben Jugendliche zwischen 14 bis 17 Jahren gehören zu den Preisträgern beim 65. Europäischen Wettbewerbs 2018 zum Europäischen Kulturerbejahr mit dem Thema „Denk mal – worauf baut Europa?“. Vier Tage lang erforschen die Gewinner Thorfinn, Maren, Selim, Julia, Mavie, Robin und Cosima die Urban Art der Hauptstadt: Heute steht das URBAN NATION MUSEUM FOR URBAN AND CONTEMPORARY ART mit Arbeiten von Künstlern aus 28 Ländern als Inspirationsquelle auf dem Programm.

Die rund einstündige Museumsführung gibt einen Überblick verschiedener Techniken der Urban Art wie Murals, Stencil, Tape Art, Graffiti, Ad-Busting und Urban Knitting. Julia (17) aus Saarlouis hat bereits in ihrer preisgekrönten Grafitti-Arbeit zum Wettbewerbsthema „Vom Hofmaler bis zum Selfie“ mit Schablonen und der Stencil-Technik gearbeitet. Ihren ursprünglichen Preis, einen Besuch beim Bundestagspräsidenten, hat sie gegen das vom Europäischen Wettbewerb organisierte Urban Art-Seminar eingetauscht. „Street Art ist viel vielfältiger und kreativer, als ich dachte. Ich merke, wie ich hierzu einen richtigen Zugang kriege.“ Die Führung ist spannend und die jungen Preisträger folgen hochkonzentriert: Urban Art polarisiert, wenn Icy & Sot die Umrisse einer Flüchtlingsfamilie in den Zaun schneiden. Borondo integriert durch einen Spiegel die Betrachter geschickt ins Kunstwerk. Tereśa: „Ihr seid das Publikum, das angeschaut wird – durch das Publikum im Bild.“ Schwierige Themen der Stadt wie die Gentrifizierung und die Zerstörung von Freiräumen kommen zur Sprache – und auch die Kommerzialisierung der Urban Art. Street Art ist inzwischen wertvoll und deshalb akut diebstahlgefährdet. So werden Werke von Banksy im öffentlichen Raum durch Plexiglasscheiben geschützt. Aber Tereśa kennt auch die kleinen Geschichten hinter den Werken wie bei How & Nosm: Hand in Hand arbeiten die Zwillinge punktgenau da weiter, wo der jeweils andere aufgehört hat.

Die Preisträger erhalten interessantes Hintergrundwissen zu den Kunstwerken.

„Im Museum lebt die Street Art, weil die Eingangstür zum Kiez hin immer offen ist“

Was ist ein Denkmal und was bedeutet Kulturerbe für uns? Was soll erhalten bleiben und was wollen wir der Nachwelt hinterlassen? Diese Fragen stellen sich die Jugendlichen während ihrer Tage in Berlin. Das URBAN NATION MUSEUM hat für sie eine ganz selbstverständliche Existenzberechtigung. Selim (16) aus Bayern: „Street Art hält nicht lange – und dann wird sie übermalt. Hier ist sie sicher.“ Was macht Urban Art in seinen Augen so besonders? „Diese Kunst kann die Geschichten der Stadt erzählen. Das ist auch noch in 20 Jahren interessant.“ Den Jugendlichen gefällt, wie der Sound der Großstadt mit U-Bahn-Rattern und Autohupen das Museum erfüllt. Cosima (15) hat nur einen Kritikpunkt: „Schade, dass die Bilder nicht auf die Wände gebracht sind. Jetzt kann man sie einfach so mitnehmen.“ Die Jugendlichen erfahren, dass Street Art inzwischen auch Auftragskunst sein kann und einige Künstler bewusst ganz legal arbeiten. Auch für das URBAN NATION MUSEUM sind Werke speziell angefertigt worden. Tourguide Tereśa: „Die meisten Street Art-Künstler haben ganz normale Berufe zum Geldverdienen. Denn als Künstler muss man sich Street Art erst mal leisten können: Die Materialien sind teuer.“

Beliebtes Motiv bei jeder Führung. Das Kunstwerk des Künstlers Nuno Viegas

Mehr als 200 Führungen seit der Museumseröffnung im September 2017

Im URBAN NATION MUSEUM werden regelmäßig Führungen angeboten. Tourguide Tereśa: „Wir empfehlen Führungen ab einem Alter von 11 Jahren. Aber wir haben auch Kindergartengruppen zu Gast – und das klappt gut. Das Kunterbunte gefällt ihnen und die Skulptur des kleinen Bären von Laurence Vallières ist ihr absoluter Favorit.“ Je jünger die Teilnehmer sind, umso interaktiver wird die Führung. „Die Kleinen haben einfach nicht so eine große Distanz zu einem Kunstwerk. Das Experimentelle, die Farben und Materialien, Formen, Figuren und Schriften, das alles löst bei Kindern viel aus.“ Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche erst nach der Führung das Gespräch mit ihr suchen: „Sie sind sehr schüchtern und fragen hinter vorgehaltener Hand, fast heimlich.“

Der besondere Moment Die jungen Preisträger des Europäischen Wettbewerbs 2018 interessiert im URBAN NATION MUSEUM besonders die politische Dimension der Urban Art –  im Spannungsfeld zwischen Illegalität und anerkannter Kunst, zwischen dem Schutz von Privateigentum und dem Recht auf Mitgestaltung der eigenen Stadt. Am Ende ihres Berlin-Aufenthalts verstecken sie ihre künstlerisch gestalteten Geocashes als kleine „Denkmäler“ der Urban Art und hinterlassen eigene Spuren in der Berliner City.