Hotspot Artpark Tegel

Artpark Tegel: Die Urban Art in Tegel-Süd bringt die Nachbarn ins Gespräch

Seit 2016 ist Tegel-Süd mit seinen überdimensionalen Fassadenkunstwerken ein Hotspot für Urban-Art-Liebhaber. Eine lange geschmückte Kaffeetafel mitten auf dem Emstaler Platz setzt schon von weitem ein deutliches Zeichen: Beim Gewobag-Nachbarschaftsfest am 14. Juli 2019 gibt es Grund zu feiern. Zwei neue Murals in der Neheimer Straße und der Bernauer Straße komplettieren ab sofort den Artpark Tegel, eine der größten Außengalerien Berlins. Nach Fintan Magee, Pixel Pancho, Hownosm, The London Police, Borondo, Collin van der Sluijs und Super A haben die renommierten Street-Art-Künstlerinnen und Künstler Nuno Viegas und Herakut sowie QueenKong und Tankpetrol jeweils in Kooperation zwei neue beeindruckende Kunstwerke mit einer Fläche von je 42 x 16 Metern geschaffen. Initiatoren des Artparks Tegel sind die Gewobag AG und das Stiftungsprojekt URBAN NATION der Stiftung Berliner Leben.

Celina (12) wohnt am Emstaler Platz und ist nach einem Grafitti-Workshop von URBAN NATION schon die ganze Woche im Urban-Art-Fieber. Auch viele Kinder aus der Unterkunft für Geflüchtete haben beim Workshop mitgemacht. Celina: „Ich kenne alle hier im Kiez – aus der Schule und auch aus der Kiezstube. Zusammen haben wir aus Kartons Hochhäuser gebaut und bunt angesprayt. Dann wurden mit der Schablone Fenster draufgesprüht. Das war so cool.“

Teresá Braunschweig hat den Workshop geleitet: „Die 17 Kids aus dem Kiez, alle zwischen 6 und 12 Jahren alt, sind von den Murals an den Fassaden begeistert. Im Workshop machen sie das gleiche wie die Künstler – nur eben in klein. Unser Thema waren Hochhäuser. Denn schließlich wohnen ja alle mit ihren Familien in einem Gewobag-Hochhaus: Wenn sie von diesem Haus einen Siebdruck auf ihrem T-Shirt oder ihrer Tasche haben, dann sind sie total stolz. Sie kriegen eine andere Emotionalität zu ihrem Haus, zum ganzen Kiez – und fühlen sich inkludiert.“ Die Grafitti-Hochhäuser von Celina & Co. und alte Dosen-Rohlinge, die mit Tape Art zu stylishen Blumenvasen werden, schmücken die Kaffeetafel beim Nachbarschaftsfest und dürfen anschließend von den Kids mit nach Hause genommen werden.

Das neue Mural von Queenkong & Tankpetrol in der Neheimerstraße.

Acht Murals – und ein Favorit: „Der Star ist der Star“

Karin B. (83) wohnt seit fast 50 Jahren in der Neheimer Straße und der Blick aufs neue Wandbild begleitet sie jetzt überall – im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, in der Küche. Mit 21 Interessierten nimmt sie an einem 1,5-stündigen Kiezrundgang durch den Artpark Tegel teil, um mehr über die nunmehr acht urban gestalteten Wandbilder zu erfahren. Tegel hält ganz offensichtlich jung: Die älteste Teilnehmerin des Rundgangs ist Ellen H. (94), die auch schon in den 1960er Jahren in den Kiez zog und inzwischen mit einem Rollator mobil ist. Sie sieht einen praktischen Nutzen der Urban Art: „Kunst verhindert Vandalismus.“ Die Motive selbst gefallen ihr unterschiedlich gut: „Mein Favorit ist der Star mit dem blauen Gefieder. Der gefällt eigentlich allen am besten und den sieht man auch sehr schön vom Tegeler See aus. Auch beim Anflug zum Flughafen ist der Star der Star.“ (Gemeint ist das Motiv „The Starling“ von Collin van der Sluijs & Super A.) Christa B. (83), eine weitere rüstige Seniorin aus dem Kiez, stimmt ihr zu: „Die neuen Fassaden sind allemal schöner als ´ne kahle Wand. Gegenständlich gefällt mir allerdings besser als abstrakt.“ Anwohnerin Nannette R. (31) macht selbst Kunst und weiß, dass die Geschmäcker unterschiedlich sind: „Jeder, der hier lebt, hat eine eigene Geschichte. Man kann nicht alle und alles berücksichtigen. Aber es ist gut, wenn die Leute in den Findungsprozess einbezogen werden.“

Im Siebdruck verzierte Jute-Beutel mit dem neuen Mural als Motiv.

„2268miles & Luchadora Pachamama“: Frauenpower pur

„Stark bin ich auch. Und ich nehme das Leben einfach so, wie´s kommt.“

Ellen H. (94)

Erst am Vortag gegen 18 Uhr haben QueenKong, das Schweizer Urban Art Duo Marco und Vero Schmid, und der polnische Künstler Tankpetrol den letzten Pinselstrich an ihrem Wandbild vollendet – genauer: die Teleskopstange mit dem Farbroller bewegt. 26 Tonnen schwer ist der Speziallift, der die Künstler auf einer fahrbaren Plattform zu ihrem Arbeitsplatz in bis zu 48 Meter Höhe hievte. Was mit der Vorbereitung der Wand und einem vorgemalten Raster begann, ist nach 2 Wochen zum beeindruckenden Wandbild einer Kämpferin geworden, die sich für die Natur einsetzt. Mit ihrem Mural „2268miles & Luchadora Pachamama“ setzt die Künstlerkooperation auch ein sichtbares Zeichen für die Stärke aller Frauen. Ellen H. (94) gefällt´s: „Stark bin ich auch. Und ich nehme das Leben einfach so, wie´s kommt.“