Vince Donders

The Iron Lung

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In Vince Donders Installation können die Betrachtenden gleich mehreren Zeitschichten begegnen. Bei den für seine Installation verwendeten Materialien handelt es sich um Fundstücke, die der Künstler in den Berliner Straßen und in Hinterhöfen aufgetan hat und die er von Nachbarn geschenkt bekommen hat. Holzstücke, Rohre, Metall, Schränke, Teile eines Kühlschrankes sowie eine Badewanne, einen Computerbildschirm und das Rad eines Fahrrades montierte der Künstler zu einem kybernetischen System, das sich über zwei Räume erstreckt. Die verbundenen und mit Motoren zu neuem Leben erweckten Materialien bilden mit ihren Bewegungen einen Kreislauf und erschaffen als abgeschlossene Einheit eine eigenwillige Atmosphäre.

Am Anfang der Installation stand die Idee einer pumpenden Bewegung, die Donders in Zeichnungen skizzierte. Auch wenn die Installation als Ganzes schon Form angenommen hat, lässt sich der Künstler immer wieder von den gefundenen Materialien leiten und von der Art und Weise, wie sie zusammengefügt werden können. Im Bauen entstehen so neue Formen und Wege. Die mit Iron Lung betitelte Arbeit produziert das Geräusch eines schwer Atmenden. Die Gleichförmigkeit wirkt geradezu hypnotisierend. Damit erinnert die Installation an die kinetische Kunst von Jean Tinguely, dessen Maschinenplastiken seit den 1950er Jahren in Museen und im öffentlichen Raum für Aufsehen sorgen.

Vince Donders – „The Iron Lung“

Berlin ist nicht nur der Fundort der verwendeten Dinge. Die dunklen Seiten der Stadt inspirierten den Künstler auch zur Auseinandersetzung mit der Lebensrealität von obdachlosen Menschen und der feinen Linie, die deren harte soziale Realität von der Normalität trennt. Gleichzeitig bemerkte Donders immer wieder auch den eisernen Willen der obdachlos Lebenden, sich in der Großstadt zu behaupten.

Thematisieren die gefundenen Materialien einen konstruktiven Umgang mit den in Großstädten nicht mehr benötigten Dingen, mit dem Konsumverhalten der Berliner*innen sowie die Möglichkeiten Gefundenes umzudeuten und ihm einen neuen Sinn geben zu können, ist der Blick in die Zukunft düsterer. Derart erscheint die Installation wie eine postapokalyptische Szenerie. Interpretiert werden kann die Installation als Teil einer verlassenen, postindustriellen Landschaft, die aufgrund von Verschmutzung oder Klimawandel nicht mehr bewohnbar ist.

Auch in Vorläuferarbeiten, insbesondere während seiner Zeit an der Kunstakademie, hat Donders industrielle Skelette in leeren, verlassenen und verschmutzten Landschaften gezeichnet. Heute baut der Künstler Teile einer apokalyptischen Welt nach, die wiederum Überleben möglich machen sollen. In seiner Auseinandersetzung mit Maschinen weist Donders darauf hin, dass wir uns von Maschinen abhängig machen und damit unsere Zukunft in das Funktionieren von Technologien legen. Auch der Titel der Arbeit nimmt auf unser Verhältnis zu Maschinen Bezug.

Als Iron Lung wird ein medizinisches Gerät bezeichnet, das bei der Beatmung von Patient*innen hilft und derart ihr Überleben garantiert. In den gleichmäßigen, aber röchelnden Geräuschen des Ein- und Ausatmens der Maschine führen dann auch alle von Donders aufgegriffenen Fäden zusammen. So lässt sich für die postapokalyptische Szenerie gleichzeitig die schmutzige Luft in einer zerstörten Umwelt erkennen sowie die Hoffnung, die in menschlichen Konstruktionen aus übriggebliebenen Materialien und Dingen für ein Weiterleben aufschimmert.

Text: Dr. Silke Förschler



Über Vince Donders:

Als Vince Donders 2017 seinen Abschluss an der AKV|St. Joost in ‚S Hertogenbosch machte, beendete er seine Kunstakademie-Karriere mit einer Installation namens „The Zero Hour“. Inspiriert wurde er von aktuellen Themen wie Umweltverschmutzung und Klimawandel, aber auch von den anonymen Strukturen heutiger Industriegebiete. Für die Installation, verwendete er Recycling-Materialien wie Holz, Stahl, Rohre, Schläuche, oder ein kaputtes Fahrrad. Er nutze alles in seinem Umfeld, was ihm half Strukturen zu schaffen, die an eine Ölpumpe oder vielleicht einen Benzinfilter erinnerten. Installationen erhob sich auf einer Öllache und es wirkte so, als ob die Objekte sich gleichzeitig aus ihr erhoben und ihr untergingen.

Weitere Informationen über den Künstler: Instagram


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