Joanna Simson

KIEZ LICHT

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Die Installation von Joanna Simson besteht aus drei Teilen: aus einem Video sowie aus einem Booklet und aus Fotografien, die Simsons Arbeit im öffentlichen Raum dokumentieren. In ihrem Hauptwerk, dem Video, sind handgeschriebene Zitate zu sehen, die aus den von ihr geführten Interviews stammen.

Simson führte ausführliche Gespräche mit Menschen aus Nordschöneberg, insbesondere von Bewohner*innen des Nollendorfkiezes. Die Interview-Zitate sind wie in einer Dia-Show hintereinander gereiht. Die Aussagen sind mit animierten digitalen Zeichnungen kombiniert, die Stück für Stück die Kleidung der Befragten sichtbar machen und so einen Eindruck zum Aussehen der Sprechenden hinzufügen, gleichzeitig konnten sie so anonym bleiben. Das Bild des Kleidungsstils baut sich während Zuhörens langsam auf. Ein Prozess, der beinahe etwas Meditatives hat und die Konzentration auf die Zitate fördert.

Auffallend ist die Offenheit der Interviewten und ihre Dankbarkeit in Nordschöneberg zu leben. Über die Zitate ist eine langsame Annäherung ebenso möglich wie über die sich aufbauenden Grafiken. Im dazugehörigen Booklet mit dem Titel „Wenn du mich wirklich kennen würdest“ sind Zitate und Outfits der Gesprächspartner*innen des Videos zu finden, die über ihr Leben in der Großstadt Auskunft geben, das geprägt ist von der Ambivalenz zwischen Freiheit und Einsamkeit, zwischen individuellen Lebensentwürfen und einem sich von der Stadt formen lassen, von der Suche nach sich selbst und nach Gemeinschaft(en).

Dass das Leben in einer Großstadt während einer Pandemie nicht einfach ist, kommt ebenfalls zu Sprache: „That it’s been hard to drag myself out today, but I’m super happy I did. It was hard for me because of my anxiety issues. It was one of my first experiences in a crowd since Corona, which forced me to avoid people for a while and it’s gonna take a bit of time to remove the extra layer of discomfort.“

Joanna Simson „KIEZ LICHT“

Simsons soziologischer Zugang ist darauf angelegt, in anderen Kiezen fortgesetzt werden zu können, um Berlin und das Befinden seiner Bewohner*innen zu skalieren. Zuvor hat die Künstlerin ähnliche Recherchen zu den Gedanken und Gefühlen von Städter*innen bereits in Stockholm in einem kleineren Projekt durchgeführt.

Im dritten Teil von Simsons „Kiez Licht“-Ausstellung zeigt sie Fotos von urbanen Projektionen, die sie in Nordschöneberg an Wände und Häuser gebracht hat. Die Lichtbilder im öffentlichen Raum irritieren, da sie zwar sowohl an Street Art als auch an Werbung erinnern, jedoch weder der einen noch der anderen Kategorie entsprechen. Mit batteriebetriebenen Projektoren, die auf Leitern befestigt waren, wurden die Aussagen der Bewohner*innen sichtbar gemacht. Über ausgelegte Flyer, Online-Plattformen, Kontakte zu lokalen Initiativen und auf Märkten kam Simson mit Interessierten in Kontakt und stellte im nächsten Schritt online sechs Fragen, um im dritten Schritt längere Interviews face to face zu führen.

„Kiez Licht“ ist ein Projekt, mit dem Ziel Bewohner*innen zusammen zu bringen, um über Gefühle und Erfahrungen in den Austausch zu kommen. Indem das Projekt im öffentlichen Raum plaziert wurde, waren vielfältige Interaktionen möglich.

Text: Dr. Silke Förschler



Über Joanna Simson:

Joanna arbeitet mit vielen unterschiedlichen Medien, von Film über Collage bis hin zu textbasierten Arbeiten. Ihre Kunst ist spielerisch und reflektiert gleichermaßen, oft ausgehend von philosophischen Fragen und dem Wunsch, neue Perspektiven zu schaffen. Sie erforscht, wie wir unsere Umgebung in einer immer komplexer werdenden Welt voller Eindrücke bewerten und navigieren. Joanna hat ihren Bachelor in Contemporary Art Practice an der Leeds University und ihren Master in Visueller Kommunikation an der Konstfack in Stockholm absolviert.

Weitere Informationen über die Künstlerin: Website I Instagram und Website I Instagram


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Der Online-Showcase bietet die Möglichkeit, Einblick in die unterschiedlichen, in den verwendeten Medien und entworfenen Ästhetiken extrem vielfältigen Projekte der Künstler*innen des vierten Fresh A.I.R.-Jahrgangs zu nehmen.

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