Hannah Skinner

Queerness through Presentation

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Als Inspirationsquelle für ihre Installation setzte sich Hannah Skinner mit der Queer-Community in Berlin auseinander. Zu Beginn ihrer Recherchen stand die Frage, wie sich queere Menschen in Berlin positionieren. Hierfür nahm Skinner über Instagram und Facebook Kontakt zu Gruppen und Gemeinschaften auf, die sich als queer bezeichnen und lies sich innerhalb der Community weiterempfehlen. Die Bezeichnung „queer“ umfasst Menschen, Handlungen und Dinge, die durch ihre sexuelle Orientierung, durch ihre geschlechtliche Identität oder durch ihre Codierung von einer gesellschaftlich und biologistisch definierten Heteronormativität abweichen. Für nicht-heterosexuelle, nicht geschlechtlich binär lebende Menschen ist die Selbstbezeichnung positiv besetzt und mit einer politischen Agenda verbunden.

Als wesentliche Voraussetzung für queere Gemeinschaften sieht Skinner sichere Räume an. Sichere Räume können Clubs sein oder auch private Räume. Um solche Möglichkeitsräume zu schaffen, bot die Künstlerin verschiedene Workshops für queere Menschen an. Die Künstlerin nähte mit Gruppen, flickte und fertigte Ohrringe. Scheinen diese Tätigkeiten auf den ersten Blick weiblich codiert zu sein, ging es Skinner immer auch darum, diese handwerklichen Tätigkeiten umzudeuten und für alle die Möglichkeit zu schaffen, sich vorurteilslos nähern zu können.

Skinner führte in analogem und digitalem Austausch immer auch Interviews durch, in denen sie der Frage nachging, welche sozialen Rollen es in der Queer-Community gibt, welche Vorbilder und wie sich ganz generell Queerness präsentieren kann. Ein Ergebnis ist, dass die Art und Weise der Kleidung, der Tattoos und des Schmucks eine wichtige Rolle für die Selbstpräsentation spielen.

Hannah Skinner „Queerness through Presentation“

Ausgestellt hat Skinner zwei überlebensgroße Handschuhe aus orangefarbenem Organza. Die vier Meter langen Handschuhe sind an Vorrichtungen für Rollos an der Decke befestigt. Derart können die Besucher*innen den transparenten Stoff hoch und runter ziehen. Auf das schillernde Gewebe stickte Skinner Formen und Ornamente, die sie an die Gesprächspartner*innen erinnerte und an deren Stolz, Teil der Queer-Community zu sein. Mit den Handschuhen verbindet Skinner, die zuvor schon Skulpturen ausgestellt hat, eine Ambivalenz, da sich mit diesem Kleidungsstück gleichzeitig etwas offenbart wie auch etwas im Verborgenen bleibt.

Auf neues Terrain wagte sich die Künstlerin mit Portraits der Menschen, mit denen sie über ihre Identität und Zugehörigkeit redete. Ausgestellt ist ein 160 x 200 cm großes Acrylgemälde mit dem Titel „Liebende Frauen“. Zu sehen sind zwei in abstrakter Manier gemalte, weibliche Figuren, eine Rückenfigur mit nach oben ausgestrecktem rechten Arm sowie eine Figur in Frontalansicht. Es könnte sich sowohl um ein Spiegelbild als auch um zwei sehr vertraut wirkende Frauen handeln. Inspiriert ist das Gemälde von einem Magazin aus dem Jahre 1929, das sich mit lesbischen Freundschaften beschäftigte. Die Zeitschrift entdeckte Skinner während ihrer Bibliothekaufenthalte im Spinnboden Lesbenarchiv, wo sie zur Geschichte von Queerness in Berlin recherchierte. Als Ergebnis ihrer Auseinandersetzungen und ihrer Begegnungen formuliert Skinner die Erfahrung, dass queere Communities auch fern der Heimat eine Heimat sind.

Text: Dr. Silke Förschler



Über Hannah Skinner:

Hannah Skinner (1996) ist eine in London lebende Künstlerin, die Fine Art Sculpture am Camberwell College of Arts (University of the Arts London) studierte und 2018 ihren Abschluss machte. Nach ihrem Abschluss wurde Hannah 2018 mit dem David Troostwyk Atelierpreis in Zusammenarbeit mit der Matt’s Gallery ausgezeichnet. In dieser Zeit entwickelte sie ihr Interesse an kinetischer Skulptur. Hannah arbeitet hauptsächlich mit Stoffen und Hand- oder Maschinenstickerei. In ihrer Praxis erforscht sie unter Einbezug von Kitsch und schillernden Materialien Vorstellungen von Queerness in Skulptur, Performance, Kostüm und Video.

Weitere Informationen über die Künstlerin: Website I Instagram


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