Aïda Gómez

Schlechte Saat

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Allgegenwärtig in Berlin und doch nur marginal in unserer Wahrnehmung: Aida Gomez beschäftigt sich mit Zigarettenkippen im öffentlichen Raum. In ihrer dreiteiligen Installation nähert sie sich dem unliebsamen Überbleibsel aus unterschiedlichen Richtungen.

Der erste Teil ihrer Installation dokumentiert Gómez Vorgehen. An Wände gehängte Gegenstände und Fotos machen nachvollziehbar, wie die Künstlerin im öffentlichen Raum agierte. Zu Beginn des Projektes startete sie eine Umfrage, die an alle Berliner*innen gerichtet war. Hierfür richtete Gómez einen QR-Code mit der Frage „What do you like the most in Berlin and what the less?“ ein, den sie als Poster an Zäunen, Geländern und Parkbänken anbrachte. Die Künstlerin bekam rund 100 Antworten, die eindeutig den Müll als das dringlichste Problem der Hauptstadt benannten. Als Konsequenz machte sich Gómez mit einer Baseballmütze, auf der „I love Berlin“ gedruckt war, und einem Handgreifer auf, um Zigarettenstummel einzusammeln, die auf den Straßen lagen. Sie erfuhr während ihrer Aktion im öffentlichen Raum viel Zuspruch von Passant*innen.

Für die partizipativ arbeitende Künstlerin ist es das Wichtigste, Vertrauen zu den Teilnehmer*innen aufzubauen und dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Insbesondere unter Corona-Bedingungen war es schwierig in Kontakt treten zu können und diesen auch zu halten, jedoch wurden alle Teilnehmenden der Umfrage auch zur Ausstellungseröffnung eingeladen.

Aïda Gómez – „Schlechte Saat“

Vorbild für Gómez partizipativen Ansatz ist das „Gotham Handbook“ von Paul Auster und Sophie Calle. Für dieses Projekt entwarf Auster eine fiktive Akteurin, die Calle ähnlich ist. Calle bekam auf diese Art Anweisungen von Auster, die sie in ihrem Alltag umsetzen konnte und die das Leben in New York besser machen sollten. Beispielsweise sollte Calle Passant*innen anlächeln oder mit Fremden ein Gespräch anfangen. Zu ihren Aufgaben zählte außerdem Obdachlosen Zigaretten zu schenken und einen Ort zu verschönern. Hierfür wählte sie eine Telefonzelle, die sie mit Blumen, Zigaretten und Essen sowie einen Stuhl ausstattete. Gómez hat diesen Ansatz übernommen, im öffentlichen Raum in Austausch zu treten, zu interagieren und aktiv etwas zu verändern, anstatt lediglich eine passive Beobachterin zu sein.

Die gesammelten Zigarettenstummel nutzte Gómez als Material für weitere Arbeiten ihrer Installation. Eine schwarze 2 x 3,5 m große Leinwand beklebte sie mit Zigarettenstummel, die den Satz „We will still be here in 2031“ bilden. Damit spielt Gómez auf die Tatsache an, dass Überbleibsel von Zigaretten zehn Jahre nicht abgebaut werden. Zudem fertigte die Künstlerin 25 bis 35 cm große Zigarettenstummel aus Kunststoff, die sie auf dem Boden verteilte. Wir können die Kippen aufgrund ihrer Größe nicht ignorieren, jedoch können wir sie ganz spielerisch wegkicken.

Humorvoll war auch der vierte Teil: Hierbei handelt es sich um vier Topfpflanzen. Nelken, Margeriten und eine Strelitzie wachsen aus Aschenbecher als perfekte Deko für das Raucher*innen-Heim. Auch wenn Gomez hier mit einem Augenzwinkern Zigarettenreste zu Topfpflanzen transformiert und so versucht dem Müll etwas Schönheit abzugewinnen, setzt sich ihre Arbeit doch mit einem gravierenden Probleme unserer Zeit auseinander. Der menschliche Umgang mit Müll ist keineswegs gut oder nachhaltig. Gómez macht mit ihrer Installation auf das weltweite Problem von Zigarettenkippen aufmerksam. Die Künstlerin schult unseren Blick, der darauf trainiert ist, diesen kleinen aber schmutzigen Müll zu ignorieren.

Text: Dr. Silke Förschler



Über Aïda Gómez

Aïda Gómez studierte Bildende Kunst an der an der Universität von Castilla La Mancha. Daraufhin studierte sie Bildhauerei an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin und war Stipendiatin an verschiedenen Institutionen in Argentinien, Polen, Island, Portugal und den Niederlanden. Ihre Arbeit umfasst spielerische urbane Installationen. Sie transformiert soziale Codes unseres Alltags auf überraschende Art und Weise. Sie spielt mit der Wahrnehmung und erregt so die Aufmerksamkeit des Betrachters. Die Künstlerin fördert mit ihren improvisierten urbanen Spielplätzen den Austausch der Menschen untereinander. Zudem bietet sie Workshops an, die die Kraft urbaner Kunst entdecken lassen und damit den Raum, den wir bewohnen, kreativ verändern.

Weitere Informationen über die Künstlerin: Website I Facebook I Instagram I Twitter


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